Action Painting in der Fondation Beyeler

Action Painting
27.01.2008 – 12.05.2008 | Fondation Beyeler

Von Ulf Küster*

Jackson Pollock, Number 7, 1950
Jackson Pollock, Number 7, 1950
Die Fondation Beyeler hat in ihren vielen Ausstellungen immer wieder nach dem Wesen der modernen Kunst gefragt. Action Painting bildet dabei einen Höhepunkt. Die Ausstellung widmet sich dem für die Entwicklung der modernen Kunst besonders wichtigen Ideal, sich auf elementare Ausdrucksformen zu beschränken. Dies sind die Farbe, die malerische Geste und die Unmittelbarkeit der Intention. Die Technik, die dafür notwendig ist, setzt ein hohes Mass sowohl an Fantasie wie an geistiger Konzentration voraus. Den Begriff Action Painting dafür hat als Erster der amerikanische Kunstkritiker und Essayist Harold Rosenberg 1952 gebraucht. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich diese Richtung der Moderne fast parallel nebeneinander sowohl im Abstrakten Expressionismus in Amerika wie in der Informellen Malerei in Europa. Beide Richtungen gingen auf Konfrontationskurs zueinander. Man sprach sogar von einem «Kalten Kunstkrieg» zwischen den beiden Kontinenten. Rückblickend scheinen die amerikanischen Künstler zunächst die Überhand gewonnen zu haben, es kam zu einem regelrechten Boom abstrakter expressionistischer Werke, für den vor allem der Name Jackson Pollock steht. Doch im Laufe der Zeit, mit der Festigung der Normalität nach dem Zweiten Weltkrieg, trat die Bedeutung des europäischen Informellen Malstils immer stärker hervor, und es zeigte sich, dass Action Painting als gestischer, abstrakter Malstil ein globales Phänomen ist.
Jackson Pollock bei der Arbeit an One: Number 31, 1950, mit Lee Krasner im Hintergrund
Jackson Pollock bei der Arbeit an One: Number 31, 1950, mit Lee Krasner im Hintergrund
In unserer Ausstellung werden Werke ausgewählter amerikanischer und europäischer Künstler einander gegenübergestellt. Es sind, um nur diese zu nennen, auf der einen Seite Jackson Pollock, Willem de Kooning, Sam Francis, Arshile Gorky, Franz Kline, Morris Louis, Clyfford Still, Cy Twombly und auf der anderen Seite Karel Appel, Gerhard Hoehme, Ernst Wilhelm Nay, Pierre Soulages, Wols. Zweifellos hat Jackson Pollock das Verdienst, der massgebende Neuerer dieses Malstils zu sein. Seine Methode des «Dripping» und «Pouring» – nämlich Bilder als ein Gewebe aus getropften und geschütteten Farbfäden entstehen zu lassen war revolutionär und hat Action Painting die Richtung gewiesen. Er steht deshalb mit seinen grossformatigen Werken im Mittelpunkt der Ausstellung. Daneben werden aber auch die Anfänge dieses Malstils im Europa der 1920er- und 1930er-Jahre gezeigt, z.B. Jean Fautrier und Hans Hartung.
Wir wollen aber auch versuchen, einen Dialog der beiden Richtung in der gestischen Malerei, der amerikanischen und der europäischen, zu vermitteln und damit aufzuzeigen, wo die Unterschiede und wo die Übereinstimmungen liegen. Wir möchten damit den Nachweis führen, dass die Kunst keine Grenzen kennt und dass bei allen künstlerischen Eigenheiten in Stil und Technik allein die Aussagekraft eines Werkes seinen Rang in der Kunstgeschichte begründet. Wir sind uns bewusst, dass wir damit einiges an intellektuellem Einfühlungsvermögen von unserem Publikum verlangen. Denn Action Painting setzt ein hohes Mass an Action Viewing beim Betrachter voraus. Wer sich jedoch darauf einlässt und den Formen- und Farbreichtum der Werke erlebt, erkennt in ihnen einen, ja sogar vielleicht: den Höhepunkt der modernen Malerei. Denn die Kunst hat keinen Anfang und kein Ende, sondern sie ist. Oder anders ausgedrückt, mit den Worten Jackson Pollocks, als er gefragt wurde, ob er nach der Natur arbeite: «I am nature!»
Jackson Pollock bei der Arbeit an Autumn Rhythm: Number 30, 1950
Jackson Pollock bei der Arbeit an Autumn Rhythm: Number 30, 1950
Die zur gleichen Zeit wie die Bilder produzierten Filme, die erstmals authentische Einblicke in den Arbeitsprozess der Künstler gewähren, spielen in der Ausstellung eine wichtige Rolle. An erster Stelle sind hier die beiden 1950 entstandenen Filme von Hans Namuth zu nennen, die von unschätzbarem Wert sind, indem sie enorm viel über den Schöpfungsprozess der Bilder aussagen. In einer vom New Yorker Architekturbüro Diller Scofidio + Renfro gestalteten, spektakulären Rauminstallation werden neben diesen beiden Filmen noch weitere gezeigt, darunter auch Alain Resnais’ Fragment gebliebener Dokumentarfilm über Hans Hartung von 1947.

* Ulf Küster ist Kurator der Fondation Beyeler

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