Addie Wagenknecht
Liminal Laws
bis 13.11.2016
HeK – Haus der elektronischen Künste Basel
Die Amerikanerin Addie Wagenknecht verstrickt sich nicht so leicht im Internet wie unsereiner. Als technologisch interessierte Hackerin und Aktivistin arbeitet die in Innsbruck lebende Künstlerin und Feministin viel mit „open source“ Daten, jenen Daten also, die im Netz frei zugänglich sind.
Das HeK widmet Wagenknecht mit Liminal Laws die erste Einzelausstellung in der Schweiz. Der Titel ist programmatisch, denn er spricht die Schwelle oder Grenze zwischen (unsichtbaren) Gesetzen und deren Durchlässigkeit an. Immer mehr sehen wir uns konfrontiert mit einer Technik der Überwachung, mit Themen wie Datensicherheit und globalen Netzwerken. Ins Zentrum ihrer Auseinandersetzung setzt Wagenknecht den schleichenden Verlust von Intimität und Selbstbestimmung des Menschen, der immer mehr seines Alltags an die Technologie delegiert. Viel zu wenig setzt sich der „Durchschnitts-Internet-Nutzer“ dabei mit den Vorgängen auseinander, die sich im Hintergrund seiner Aktivitäten abspielen.
Mit viel Humor und grosser ästhetischer Sicherheit findet Wagenknecht Formen um diese Problematik zu verbildlichen. „Wer Geschichte schreiben will, muss dafür sorgen, dass er selber darin vorkommt“ meint die Künstlerin und empfängt ihr Publikum gleich zu Beginn der Ausstellung mit einem Werk, welches – leider noch immer – bittere Realität für Frauen ist: Glass Ceiling (2015) behandelt das Thema der „Gläsernen Decke“, die noch immer verhindert, dass Frauen in einflussreiche Positionen gelangen. Die Frauen selbst flüchten sich in stereotype Rollen, die sie als ihr Waffenarsenal betrachten. Wagenknecht hinterlässt Angriffsspuren auf Panzerglasscheiben und macht so das eigentlich sinnlose Unterfangen sichtbar. Die Waffen der Frau sind stumpf, ob Lippenstift oder Diät, ob Rosen oder sogar Steine – nichts vermag den Panzer ernsthaft zu verletzen.
Raumfüllend spannt sich das Werk While you were sleeping (2016) auf – eine Drohne wie sie als Überwachungsgerät zum Einsatz kommt (s. grosses Bild). So wie wir die Drohne umgehen müssen, wie sie uns an die Ränder des Raumes drängt, wirkt diese Technologie auch in unserem Leben. Wir werden – unbemerkt – ausspioniert im Auftrag von politischen und übergeordneten Interessen.
Aber Wagenknecht ist auch Malerin, Bildhauerin und Videokünstlerin. So stellt sie mit Hilfe von kleinen Drohnen wunderbare Action Paintings her, die in der Serie Black Hawk Powder (2014) zu sehen sind. Oder die an griechische Vasen erinnernde Serie Liberator Gun Vases (2016). Im Internet ist der Bauplan für eine selbst gebastelte Handfeuerwaffe frei zugänglich. Wagenknecht überführt diese traurige Realität in neue Formen – ausgedruckt in 3D –und spielt darauf an, dass Technik nie neutral ist und immer nur entsprechend ihrer Nutzung gut oder schlecht ist. Mit dem Videofilm brbxoxo (2013) (be right back, kisses and hugs) rückt Wagenknecht den Menschen wieder ins Zentrum – gerade durch dessen Abwesenheit. Gezeigt werden Sequenzen von Sex-Cam Webseiten, in denen die Performer nicht anwesend sind. Beim Betrachten der leeren Räume, werden wir auf uns selbst zurückgeworfen, und die oft lieblos und oberflächlich hergerichteten Interieurs zeugen von der atemberaubenden Einsamkeit der Protagonisten.