Bianca Pedrina
Doris Lasch
bis 19. März 2017
Kunsthaus Baselland
Phantom, vom griechischen Wort phantasma stammend, steht für Erscheinung, Einbildung, Trugbild. Nicht von ungefähr trägt die Skulptur aus schwarzlackiertem Aluminiumblech diesen Titel, die das Publikum gleich beim Eintritt in das Kunsthaus Baselland empfängt und die programmatisch für die ganze Schau ist. Das Haus widmet den beiden Künstlerinnen Doris Lasch und Bianca Pedrina zwei Einzelausstellungen, die inhaltlich jedoch miteinander korrespondieren. Beide hinterfragen anhand des Mediums Fotografie die Entstehungsbedingungen von Bildern und binden die Architektur des Ausstellungshauses in ihre Arbeiten ein.
Konstruktion der Wirklichkeit
Mit Licht, das sich auf einem Trägermedium einbrennt, schreibt sich zugleich die Realität mit ein. Diese Form der Bildgenerierung ist untrennbar mit der Fotografie verbunden, und auch wenn wir im digitalen Zeitalter längst um die Manipulation von Bildern wissen, haftet der Fotografie immer noch das Prädikat der Authentizität an. Dabei spielt die Technik als Bürge für die Objektivität eines Bildes eine zentrale Rolle.
Die in Basel lebende Doris Lasch (1972 in Deutschland geboren) spielt auf fotografische, aber auch skulpturale und installative Art mit unserer Wahrnehmung, die sie zwischen Inszenierung und Echtheit hin und her pendeln lässt. Ihre Arbeit Quelques erreurs d’interprétation zum Beispiel zeigt acht unterschiedliche Heliogravüren von einem Fotostudio in variierten Lichtsituationen, welche immer aus demselben Blickwinkel aufgenommen wurden. Anstelle eines Motivs ist das Setting des Fotostudios selbst zu sehen. Es sind inszenierte, aber umgedrehte Ansichten auf das Abwesende. Nicht das stolze Ehepaar vor romantischer Kulisse, sondern das Studio selbst wird zum Protagonisten der Bilder.
Ähnlich geht es im Annex des Kunsthauses weiter. Dort setzt sich Lasch mit dem Herstellungsort von Kunst – dem Atelier – und deren Repräsentation – im Ausstellungsraum – auseinander. Sie verbindet den Bildraum mit dem realen Ausstellungsraum und lässt ihre Bilder sozusagen in den Raum hinauswachsen. Hier kommen zeitlich unterschiedliche Raumebenen zusammen. Die Fotografie wird zum Zeitdokument dessen, was gerade aktuell im Raum geschieht. In der Arbeit Spiegel treffen die beiden Zeitebenen direkt aufeinander, indem der Spiegel simultan das Geschehen davor wiedergibt. Die feine Staubschicht auf dem Spiegel jedoch weist wiederum auf eine andere, längst vergangene Zeitebene hin und zieht einen Schleier des Geheimnisvollen über die sichtbare Ebene.
Ein unlösbares Rätsel verbirgt sich auch hinter der Arbeit Paravision aus dem Jahr 2016. Das Bild eines nebelverhangenen Ortes mit einem an eine Filmkamera erinnernden Projektor wird von einem Beamer auf eine Wand des Kunsthauses geworfen. Doris Lasch macht Versprechen, die sie nicht einlöst mit ihrer Installation. Zwischen inszeniert und vorgefunden, an einem Ort der überall sein könnte, überlässt sie den Betrachter seiner Phantasie.
Material und Fotografie
Die in Wien lebende Bianca Pedrina (*1985) bespielt das ganze Untergeschoss des Kunsthauses mit zwei raumgreifenden Arbeiten. Aus Wien stammt denn auch die Inspiration für ihre erste Arbeit Cipollino Galaxy, die den Besucher gleich am Ende der Treppe empfängt. Die Marmorstruktur, die die Baslerin Pedrina für ihre Arbeit verwendet, stammt von einem zentralen Bauwerk der Wiener Moderne, dem Loos-Haus am Michaelerplatz. Die Wahlwienerin hat den Marmor abfotografiert, mit UV-Direktdruck auf PVC-Bahnen aufgebracht und diese im Raum verteilt. Sie schmiegen sich um eine tragende Säule oder hängen weich und fliessend über, an die Wand gelehnte, Armierungseisen. Während der Marmor die Betonkonstruktion des Gebäudes in Wien verhüllt, lässt Pedrina die Trägerkonstruktion für ihre PVC-Bahnen sichtbar und weist einerseits auf die Herstellungsbedingungen der Architektur hin. Gleichzeitig wird die Trägerstruktur der Architektur – die Armierungseisen – ebenfalls zum Bildträger ihrer Werke. Faszinierend ist auch die Wirkung der im Stein eingefrorenen Marmorstruktur, deren Fliessbewegung fast wie selbstverständlich wirkt, angesichts ihrer Verschiebung vom Stein auf das weiche PVC.
Die Arbeit Orbita gleich dahinter hat Pedrina eigens für die Ausstellung im Kunsthaus Baselland entworfen. Auf sieben von der Decke hängenden Bildschirmen finden sich sechs Projektionen mit Architekturdetails aus dem Kunsthaus Baselland. Der siebte Bildschirm ist ein Video über das binokulare Sehen – das Raumsehen also, welches die Bedingungen des Sehens selbst zum Thema macht. Zum ersten Mal in ihrem Leben hat sich Pedrina dem Medium Film zugewandt, ein Schritt der ihr nicht leicht gefallen ist. Es behagt ihr nicht, dass die Kamerafrau bestimmen soll, wie lange ein Bild angeschaut wird. Der Übergang von der Fotografie zum Film fällt denn auch entsprechend sanft aus: Die Videos wirken eher wie Fotografien und lassen der Betrachterin genügend Zeit, sich mit den abgebildeten Architekturdetails auseinanderzusetzen. Orbita wird von einer Soundinstallation des Künstlers und Musikproduzenten Stefan Karrer zusammengehalten.
Auf keinen Fall auslassen sollte man den kleinen Kabinettraum, in dem die dritte Arbeit, die Fotocollagen Art in public space ausgestellt ist. Aus dem Internet hat die Mitbegründerin des Basler Offspace Schwarzwaldallee Farbabbildungen von bekannten öffentlichen Plätzen herausgesucht um sie mit einem skulpturalen Eingriff massiv zu stören. Sie verwendet dazu Fotos von ihren eigenen Modellen und spielt am Rande des Grössenwahns mit deren Proportionen im Raum. Mit ihren Manipulationen hinterfragt Pedrina das kritische Verhältnis, welches Kunst im öffentlichen Raum oft fristet. In Basel denkt man etwa an die Diskussionen um den Standort der Plastik Intersection von Richard Serra, die die Gemüter bis heute erhitzen. Dieses Werk kann es, massstäblich betrachtet, beinahe mit den fiktiven Interventionen aus Art in public space aufnehmen. Nicht zuletzt entspricht die Vogelperspektive, aus der alle Bilder aufgenommen sind, einem gottähnlichen Blick, den die Stadtplaner dieser Welt nicht selten für sich in Anspruch nehmen.
Sibylle Meier