Claude Monet
22.01.2017 – 28.05.2017
Fondation Beyeler
Von Karen N. Gerig*
Monet. Fünf Buchstaben, mit denen man als Ausstellungshaus eigentlich nichts falsch machen kann. Erst recht nicht, wenn «man» die Fondation Beyeler ist. Denn ohne das grosse Seerosenbild Le bassin aux nymphéas, über das unser Blick schon so oft zum echten Teich draussen vor dem Museum geschweift ist, gäbe es vielleicht gar keine Fondation Beyeler: Es soll jenes Bild gewesen sein, das für Ernst Beyeler vor über zwei Jahrzehnten den Anstoss gab, das Haus bauen zu lassen. Genau dort, wo es jetzt steht, umgeben von Natur. Dass also die Fondation Beyeler ihr 20-jähriges Jubiläum ausgerechnet mit einer Ausstellung zu Claude Monet beginnt – nein, überraschen tut uns das nicht. Es passt.
Leuchtende Pastellfarben
Draussen ist es kalt, auf dem Teich hat sich eine dünne Eisschicht gebildet. Drinnen, da wärmt das Licht aus den Gemälden, da leuchten die Pastellfarben, was wie ein Widerspruch klingt, aber keiner ist. Mediterrane Sonnenuntergänge wechseln sich mit nebliger Morgenstimmung ab, auch ein bisschen Eis findet sich, in der Form von Schollen malerisch auf der Seine treibend.
Kurator Ulf Küster hat glücklicherweise eine thematische Hängung einer chronologischen vorgezogen, er lässt auf Bilder von überschwemmten Flussufern solche vom Mittelmeer und Atlantik folgen, dann einen Raum mit Bäumen und einen mit den Brücken von London, bis die Ausstellung schliesslich im Seerosenteich mündet.
Man müsse sich konzentrieren, sagt Küster, wenn man Monet zeige. So reichhaltig und vielfältig ist das Œuvre des Franzosen, der von 1840 bis 1926 lebte und den Grossteil seines langen Lebens malte. Also hat Küster sich für die Schaffensjahre nach 1880 bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts entschieden, auf Monets künstlerische Entwicklung von der Zeit des Impressionismus bis hin zu seinen ersten Seerosen-Bildern. 62 Gemälde zeigt er, darunter 15 aus Privatsammlungen, die man nur selten oder gar nie zu sehen bekommt.
Bäume in Serie
Das gilt nicht für die «Cathédrale de Rouen», ein Bild aus der hauseigenen Sammlung, das nun frisch restauriert und deshalb wahrlich strahlend die Ausstellung einläutet. Das Bild ist eines aus einer Serie von insgesamt 33, die Monet von ein und demselben Standpunkt aus malte.
Das Konzept der Serie übte der Maler auch an anderen Motiven: Er wollte die unterschiedlichen Stimmungen einfangen, die Veränderung der Natur zeigen, ihr mit Farbe und Pinsel auf den Grund gehen. Morgenlicht und Abendlicht, Frühling und Herbst, Sonne und Schatten. Solch ein Unterfangen erfordert einen aktiven Betrachter, der bereit ist, selber fast Teil der Natur zu werden. Und so liess Monet sich darauf ein, an den unterschiedlichsten Orten in Westeuropa, bis er zuletzt fast nur noch in seinem eigenen Garten in Giverny malte: Seerosen, Seerosen, und noch mehr Seerosen, eine schier endlos scheinende Serie.
Eine zweite Kathedrale von Rouen sucht man in der Fondation Beyeler zum Vergleichen nun vergebens, und auch Seerosen-Bilder sind spärlich vertreten. Doch anderes findet man: Dreimal dieselbe Pappelreihe am Ufer der Epte etwa. Oder die bereits erwähnten Eisschollen auf der Seine.
Versinken im Licht
Doch sollte man sich davor hüten, nur nach Vergleichsmöglichkeiten zu suchen. Sondern die Werke im Einzelnen betrachten und auf sich wirken lassen. Auch wenn man kein Pastell mag: Diesem Licht kann sich niemand entziehen. Es scheint durch die Türe der Kathedrale in Rouen, aus den Schaumhäubchen auf den Meereswellen, sogar aus dem undurchdringlich wirkenden Nebel über der Themse.
Alle zwei Wochen werden die Türen zur Fondation Beyeler dienstags bereits um 7.30 Uhr geöffnet, damit man die Werke in der morgendlichen Ruhe geniessen kann. Sogar zum Meditieren lädt man ein. Und weil zu erwarten ist, dass der Name Claude Monet zu den regulären Öffnungszeiten einige Gäste anlocken wird, zwischen denen die Ruhe nur schwer zu finden sein wird – warum nicht einmal früh aufstehen und das ausprobieren?
Ohne Hast von Bild zu Bild schreiten. Bemerken, dass sich in der «Vue de Bordighera» Hinten und Vorne verschieben, weil das Tiefblau des Meeres im Hintergrund sich malerisch in den Vordergrund drängt. Versinken im aufgewühlten Meer der «Côte Rocheuse» und sich fragen, wann Böcklins Nereïden auf den Felsen zu turnen beginnen. Sehen, wie das Meer in «Temps calme, Fécamp» in horizontalen Pinselstrichen reglos da liegt, ganz im Gegensatz zu den vertikal aufgeschichteten Klippen daneben.
Den Baum suchen, der in der «Prairie à Giverny» im Vordergrund seinen Schatten wirft. Sich im Nebel über der morgendlichen Seine auflösen. Oder phantasieren und glauben, es sei ein Riese, der seinen Fuss ins Meer gerammt und so die «Vagues à la Manneporte» aufgeworfen hat.
Kurzum: Kommen und staunen. Vielleicht auch darüber, dass Monet keine überraschende Wahl für eine Jubiläumsausstellung sein mag, seine Werke aber trotzdem immer noch Überraschendes aufzuweisen wissen. Wenn man sich darauf einlässt.
- Karen N. Gerig ist Kunsthistorikerin, hält sich nur zu gern in Museen auf und schreibt (nicht nur deshalb) seit 18 Jahren über Kunst, am liebsten in und um Basel. Zunächst für die Basler Zeitung und die NZZ, dann für die TagesWoche – und immer wieder auch für andere Publikationen.