Fondation Beyeler
19.09.2021 – 02.01.2022
Berthe Morisot, Mary Cassatt, Paula Modersohn-Becker, Lotte Laserstein, Frida Kahlo, Alice Neel, Marlene Dumas, Cindy Sherman, Elizabeth Peyton
Im Zentrum der Ausstellung Close-Up stehen neun Künstlerinnen, denen die Konzentration auf die Darstellung von Menschen, in Form von Porträts und Selbstporträts, gemeinsam ist und deren Schaffen herausragende Positionen innerhalb der Geschichte der Moderne von 1870 bis heute darstellen. Das Interesse der Ausstellung gilt dem spezifischen Blick der Künstlerinnen auf ihre eigene Umgebung, der in den Porträts und Figurenbildern ihrer selbst und von anderen zum Ausdruck kommt. In der Zusammenschau lässt sich erleben, wie sich der Blick der Künstlerinnen auf ihr Gegenüber zwischen 1870 und heute gewandelt hat, was sich in ihm widerspiegelt und was ihn auszeichnet.
Die Ausstellung betrachtet einen Zeitraum, zu dessen Beginn es Künstlerinnen in Europa und Amerika – unterstützt von gesamtgesellschaftlichen Veränderungen der Stellung der Frau – erstmals möglich wurde, auf breiter Basis professionell tätig zu sein. Es ist gleichzeitig eine Zeit, in der die Idee des Porträts einen tiefgreifenden Wandel erlebt, der mit einer grundlegenden Umwertung der Idee des Individuums einhergeht. So wie im Impressionismus die Transformation des klassischen Porträts begann und ihren Lauf nahm, so wurde zu Anfang des neuen Jahrhunderts der gänzliche Verzicht auf Ähnlichkeit als mögliche Porträtform erprobt. In der Folge wandelte sich das Porträt zu einer Ausdrucksform, in der neue Vorstellungen von Subjektivität und neue Möglichkeiten der Repräsentation erkundet wurden. Die neun gezeigten Künstlerinnen führen uns dies beispielhaft vor Augen. Sie repräsentieren zwar nicht eine Geschichte des Porträts seit der Moderne. Doch jede von ihnen präsentiert mit ihrem Œuvre eine spezifische, aus ihrer Zeit heraus entwickelte Form des Porträts. Ihre Porträts und Selbstporträts zeigen Gesichter auf je eigene Weise, bleiben dabei auf Distanz oder versuchen, ihnen so nahe wie möglich zu kommen. Das Faszinosum, das dem Porträt schon immer und bis heute eigen ist, wird vor dem Hintergrund unserer Gegenwart in Close-Up erneut erfahrbar und umso verständlicher.
Dass Kunst von Künstlern und Künstlerinnen gleichermassen geschaffen wird, kann erst seit den 1990er-Jahren als Selbstverständlichkeit gelten. Wenn auch, bei näherem Hinsehen, auffällt, dass kommerziell besonders erfolgreiche Kunst noch immer vorwiegend von Männern stammt. Blickt man zurück, ins frühere 20. Jahrhundert und davor, so muss erstaunen, wie anders sich die Situation darstellt, das heisst, wie wenig präsent Künstlerinnen in der Geschichte der Kunst sind. Was seit jüngerer Zeit in Museumssammlungen als Auslassungen und Lücken erkannt wird, war lange Terra incognita, unbekanntes Land, das zu entdecken und zu fördern gar kein Thema war. Das hat sich geändert. Neben der Benennung der Einseitigkeit der Perspektive auf die Kunst steht die Neugier zuvörderst ebenso wie die Begeisterung, so viel Neues, wenn auch längst Vorhandenes, zu sehen und zeigen zu können.
Mit rund 100 Leihgaben aus internationalen Museen und Privatsammlungen aus Europa, Amerika und Mexiko eröffnet CLOSE-UP ungewohnte Perspektiven auf die Geschichte des Porträts und der neun Künstlerinnen.
Als Begleitprojekt zur Ausstellung laden kurze Filmporträts, interpretiert von neun internationalen Schauspielerinnen, namentlich Irène Jacob, Martina Gedeck, Luna Wedler, Meret Becker, Ángela Molina, Bettina Stucky, Romana Vrede, Maria Furtwängler und Valerie Pachner dazu ein, die vielfältigen Persönlichkeiten der Künstlerinnen aus einer anderen Perspektive kennenzulernen. ◀
Theodora Vischer ist Chief Curator der Fondation Beyeler
und Kuratorin der Ausstellung «CLOSE-UP».