Radiophonic Spaces, Beatrize Ferreira

Radiophonic Spaces im Museum Tinguely

21Ein akustischer Parcours durch die Radiokunst begleitet von
14 Themenwochen rund um das Radio. 

Museum Tinguely
24.10.2018 – 27.01.2019

Der Autor dieses Textes, Andres Pardey, ist Vizedirektor des Museum Tinguely
und Kurator der Ausstellung
«Radiophonic Spaces» in Basel. 

In den fast hundert Jahren seit Radio existiert, haben sich
Musiker, Komponisten, Schriftsteller, Philosophen und bildende Künstler (sowie viele, die sich nicht in klassische Kategorien einpassen lassen) mit dem Medium Radio auseinandergesetzt. Sie haben die Produktion von Sendungen befragt, die Art der Aufnahme, der Übertragung und des Empfangs und wie Sendungen gespeichert wurden. Das Rauschen zwischen den Sendern war ebenso ein Thema wie die Stille, wenn nicht gesendet wird. Das Speichermedium (die Schallplatte) und die Produktionsumgebung (das elektronische Studio) standen im Zentrum akustischer Recherchen und machten das Medium präsent und bewusst. Sendeformate und -möglichkeiten wurden von Radiomachern hinter- und von Künstlern befragt. Die Ausstellung Radiophonic Spaces bringt erstmals über 150 Radiostücke aus der ganzen Welt zusammen, mit dem Ziel, diese lange Auseinandersetzung von Künstlern aller Gattungen mit dem Medium zu zeigen und hörbar zu machen. Unvergessliche Sendungen werden wieder erlebbar, die nur noch in versteckten Archiven aufzufinden waren, die die Geschichte eines Mediums aufzeigen, das durch seine Verwurzelung in der Aktualität auch das Jahrhundert seiner Existenz abbildet. Die grossen Katastrophen der letzten hundert Jahre sind ebenso Thema wie die grossen technischen und gesellschaftlichen Errungenschaften dieser Zeit.

Radiophonic Spaces, H.E.I. Guide
Radiophonic Spaces, H.E.I. Guide

Parcours

In einem Parcours werden Besucherin und Besucher, ausgestattet mit Smartphone und Kopfhörer, zu Sendersuchnadeln im Raum, die durch ihre Postionsveränderung immer wieder neue Sender empfangen und dadurch neue Stücke zu hören bekommen. Es ist ein Radioerleben, das demjenigen in der Realität des Ultrakurzwellenradios FM gleicht – ein Suchen in den Sendern, bis eine Stimme, ein Musikstück oder eine Tonfolge zum Verweilen einlädt, zum weiteren Anhören oder doch wenigstens zum Speichern der Senderfrequenz, damit man später wieder auf den Sender und damit auf die Stimme zurückkommen kann. Die Vielfalt ist verwirrend, überwältigend bis hin zu überfordernd, sie spiegelt aber das unüberschaubar grosse Angebot, das Radio auszeichnet, und die Möglichkeit zur schnellen Entscheidung zum Hören.

Radioforschende haben die Sendungen in Narrative, kuratierte Zusammenstellungen gefasst, die sich inhaltlich oder akustisch-
ästhetisch verbinden. Sie heissen Plattengeschichten, Funkstille, Tor zum Unbewussten oder Expanded Radio, sie fassen Sendungen zusammen, die sich mit elektronischen Studios befassen bzw. aus solchen stammen, oder solche, die in Ecce Homo den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Sie befragen Gesetze der Form im Radio oder das Radio Mobile, das örtlich ungebundene Hören, das Radio spätestens seit der Erfindung des Transistors zum portablen Medium ganzer Generationen gemacht hat. 

Dem zunächst intuitiven Erleben der Radiolandschaft im Parcours folgt die Möglichkeit, in der Ausstellung Sendungen vollständig zu hören und dem Gehörten in einer eigens programmierten Mindmap inhaltlich auf den Grund zu gehen. Wiederum ist der spontane Zugriff der erste, aber parallel sind geordnete kognitive Suchen nach Autorinnen und Autoren oder nach Studios möglich. Texte, Töne und Videos zu den Stücken, den Narrativen, aber auch zu den wichtigen Produktionsbedingungen, den Studios, den Orten und natürlich auch den Urheberinnen und Urhebern der Sendungen erlauben es, in gewünschter Tiefe in die faszinierende Geschichte der Sendungen einzutauchen.

Radiophonic Spaces ist ein Projekt der Bauhaus-Universität Weimar im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojektes
«Radiophonic Cultures – Sonic Environments and Archives in Hybrid Media Systems», das seit 2015 an der Universität Basel und der Bauhaus-Universität Weimar angesiedelt ist. Radiophonic Spaces wird an drei Stationen gezeigt: Im Winter 2018/19 ist der Radio-Parcours parallel im Museum Tinguely, Basel, und im Haus der Kulturen der Welt in Berlin (1.11. bis 10.12.2018) und im Sommer 2019 in der Universitätsbibliothek Weimar zu sehen (26.07. bis 19.09.2018). Das Projekt wird unter anderem gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes, die Film- und Medienstiftung NRW und das Goethe-Institut.

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