VENEDIG – Von Canaletto und Turner bis Monet
28.09.2008–25.01.2009 | Fondation Beyeler
Von Martin Schwander*
Bis heute fasziniert Venedig immer wieder aufs Neue. Die berühmten Denkmäler und Orte der Stadt – die Piazza San Marco, der Canal Grande, die Kirchen San Giorgio Maggiore und Santa Maria della Salute – werden seit Jahrhunderten bewundert. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts, als Canaletto und Guardi ihre wunderbaren Stadtansichten malten, war Venedig die am häufigsten dargestellte Stadt. Canaletto und Guardi waren die letzten grossen venezianischen Vedutenmaler (Stadtansichtenmaler) gewesen, deren heitere und festliche Gemälde, von denen einige der bedeutendsten Beispiele in der Ausstellung zu sehen sind, das Venedigbild der Nordeuropäer auch nach dem Untergang der «Serenissima» nachhaltig geprägt haben.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts avancierte Venedig zu einem Kultort für Maler, Fotografen, Romanciers, Dichter, Musiker und Philosophen. Alle waren sie von der geheimnisvollen Stadt überwältigt. Der Zauber der Kirchen und Paläste, der Kanäle und Märkte inspirierte auch einige der wichtigsten Vertreter der europäischen und amerikanischen Avantgarde. Das atmosphärische Zusammenspiel von Licht und Wasser hat sie zu epochalen Werken angeregt, welche der Entwicklung der modernen Kunst entscheidende Impulse gaben. Das künstlerische Bild von Venedig wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend zu einem «Schichtengebilde», bei dem sich unterschiedliche und widersprüchliche Bilder überlagerten: Bilder der Macht und des Untergangs, der Liebe und des Todes, der Schönheit und der Vergänglichkeit, der Lebensfreude und der Melancholie. Die Grundlage dieses neuen Venedigbildes hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Engländer Lord Byron mit seinen Gedichten und Dramen gelegt. Seine schwärmerische Hingabe an Venedig, verstanden als Allegorie des Zerfalls, teilte der englische Maler William Turner. Er unternahm seine erste Reise nach Venedig im Rahmen einer ausgedehnten Italienreise im September 1819 und hielt sich in späteren Jahren noch zwei Mal in der Lagunenstadt auf. Die grossartigen Turner-Leihgaben der Tate in der Ausstellung bezeugen eindrücklich, dass die die Realität transzendierenden Bildfindungen des Malers denen des Dichters in nichts nachstehen.
1874 hielt sich mit Edouard Manet erstmals ein Vertreter der Moderne in Venedig zum Malen auf. Die Einzigartigkeit und Schönheit der Stadt liess auch einige seiner wichtigsten Freunde und Kollegen nicht unberührt. Mit ihren Ansichten setzten Edouard Manet und James McNeill Whistler, Odilon Redon und Paul Signac den abgegriffenen Venedigbildern der zeitgenössischen Salonmalerei etwas Neues entgegen. Jeder dieser Künstler entwickelte dafür auf der Grundlage seines bisherigen Schaffens eine eigene Strategie. Mit John Singer Sargent und Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir und James McNeill Whistler führt die Ausstellung Künstler zusammen, die sich seit frühen Jahren freundschaftlich verbunden waren. Sie vereinigt die bedeutendsten Vertreter der französischen und amerikanischen Avantgarde, die in Venedig im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert tätig waren.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts erlagen auch die Fotografen dem Zauber der Lagunenstadt. Die grosse Zahl von Touristen stimulierte die Nachfrage nach Fotografien der wichtigen Baudenkmäler und des venezianischen «Volkslebens», zumal Venedig um 1900 seine Daseinsberechtigung endgültig im Tourismus gefunden hatte.
Die Ausstellung stellt zum ersten Mal die erstaunlichen Bilder vor, die Wegbereiter und frühe Vertreter der Moderne in Venedig im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gemalt haben. Es ist ein Panorama, das mit den Stadtansichten Canalettos und Francesco Guardis einsetzt und mit rund 150 Kunstwerken – Ölgemälden, Pastellen, Aquarellen und Fotografien – einen Bogen spannt bis zur Bilderfolge, die Claude Monet 1908 in Venedig gemalt hat. Ein Grossteil der Gemälde dieser Bilderfolge ist als Höhepunkt der Venedigschau ausgestellt.
Im Rahmen eines aussergewöhnlichen Engagements haben sich mehr als 70 institutionelle und private Leihgeber in Europa, den USA und Japan bereit erklärt, teilweise selten gezeigte Meisterwerke zur Verfügung zu stellen, und damit die Ausstellung in dieser Form überhaupt erst möglich gemacht.
*Martin Schwander ist Gastkurator der Ausstellung