Die andere Sammlung

Die andere Sammlung – Hommage an Hildy und Ernst Beyeler
19.08.2007 – 06.01.2008 | Fondation Beyeler

Das Wirken und Schaffen der Galeristen und Museumsgründer Hildy und Ernst Beyeler

Von Christoph Vitali*

Vincent van Gogh, L’Arlésienne, 1890 © Pro Litteris
Vincent van Gogh, L’Arlésienne, 1890 © Pro Litteris
Es bedarf einiger Fantasie, um sich vorzustellen, dass die weltberühmte Sammlung der Fondation Beyeler mit ihren zahlreichen Glanzlichtern der Kunst des 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts nur das Nebenprodukt eines Galeriebetriebs sein soll. Tatsächlich war und ist Ernst Beyeler aber an erster Stelle Galerist, zu dem überzeugten und engagierten Sammler musste er hingegen erst im Laufe der vergangenen sechs Jahrzehnte werden. Viele der Werke, die heute den Kernbestand der Sammlung bilden, haben den Weg dorthin nur deshalb gefunden, weil sie schlicht und ergreifend zum Zeitpunkt des Erwerbs unverkäuflich waren. In solchen Fällen legte Ernst Beyeler das Werk beiseite und hoffte auf bessere Zeiten. Dies war beispielsweise bei den späten Werken von Paul Klee aus den letzten Schweizer Jahren von 1933 bis zum Tod des Künstlers im Jahre 1940 so, bei den zahlreichen Gemälden von Piet Mondrian, aber auch bei den Spätwerken von Claude Monet. Dessen grossartiger Seerosenteich (1917–1920) war einer der Auslöser dafür, dass sich Ernst Beyeler mehr und mehr mit dem Gedanken an ein eigenes Museum befasste. Denn obwohl er das monumentale Triptychon jahrelang in der Galerie ausstellte, fand sich unverständlicherweise kein Käufer – heute wird die Fondation Beyeler von der gesamten Kunstwelt um dieses einzigartige Gemälde beneidet. Gleiches gilt für Kandinskys schon 1950 von Ernst Beyeler erworbene Improvisation 10 (1910), die den Beginn der abstrakten Malerei markiert. Wie kein anderes steht dieses Werk für die Sammelleidenschaft Ernst Beyelers, konnte er es doch erst nach langen Jahren zähen Ringens wirklich sein Eigen nennen.
Joan Miró, Métamorphose, 1936 © Pro Litteris
Joan Miró, Métamorphose, 1936 © Pro Litteris
Die Ausstellung «Die andere Sammlung», die am 18. August eröffnet wird, ist dem Wirken und Schaffen der Galeristen und Museumsgründer Hildy und Ernst Beyeler gewidmet. In der Ausstellung wird die Sammlung der Fondation, die den Besuchern längst ans Herz gewachsen ist, rund hundert der bedeutendsten Werke gegenübergestellt, die Hildy und Ernst Beyeler an zahlreiche grosse Museen und wichtige private Sammler in der ganzen Welt verkauft haben. Dass diese Auswahl nur ein Schlaglicht auf die kunsthändlerische Tätigkeit der Galerie zu werfen vermag, versteht sich von selbst: Schliesslich sind im Laufe seines langen Berufslebens mehr als zehntausend Kunstwerke durch die Hände Ernst Beyelers gegangen.
Ein wahrlich inspirierender Rundgang durch die Kunstgeschichte erwartet den an der modernen Kunst Interessierten in der Ausstellung. Werke von epochemachenden Künstlern, die zum grossen Teil bereits aus der Sammlung vertraut sind, fordern zum erhellenden Vergleich heraus. Von Paul Cézanne, Paul Gauguin, Vincent van Gogh, den Spätimpressionisten über wiederum Wassily Kandinsky, Fernand Léger, Paul Klee bis hin zu Joan Miró, Henri Matisse und Piet Mon-drian ist alles vertreten, was in der klassischen Moderne Rang und Namen hat. Auch bei den Protagonisten der 1960er- und 1970er-Jahre liest sich die Exponateliste wie das Who’s Who der internationalen Kunstszene dieser Zeit: Werke von Willem de Kooning, Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Jean Dubuffet und Roy Lichtenstein werden zu sehen sein, um nur einige zu nennen. Ein Name darf auch in der «anderen Sammlung» selbstverständlich nicht fehlen: Pablo Picasso, der grösste Künstler des 20. Jahrhunderts überhaupt. Ernst Beyeler ist ihm noch mehrmals persönlich begegnet und durfte sich der besonderen Wertschätzung des Künstlers erfreuen. Immerhin öffnete der Jahrhundertkünstler dem Galeristen einmal sein Bilderlager und liess ihm mit den Worten «Choissisez!» freie Hand bei der Auswahl der Werke. Kein Wunder also, dass Picasso mit allein 30 bedeutenden Werken einen Schwerpunkt der Ausstellung bildet, darunter auch solche der blauen und der rosa Periode. Das Spätwerk Picassos ist repräsentativ vertreten: Während es von der Kunstszene lange Zeit geschmäht wurde, hatte Ernst Beyeler bereits sehr früh dessen Bedeutung erkannt und sich als Sammler wie auch als Kunsthändler darum verdient gemacht.
Pablo Picasso, Femme à la couronne de fleurs, 1939 © Pro Litteris
Pablo Picasso, Femme à la couronne de fleurs, 1939 © Pro Litteris
Es wird besonders spannend sein, zu beobachten, auf welches Interesse die Ausstellung stossen wird. Bei unseren Schweizer Besuchern, die die ausserordentliche Karriere eines der wichtigsten Kunsthändler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, fernab von den grossen Kunstzentren Paris, London und New York, aus der Nähe verfolgt haben, dürfen wir sicher sein, dass sie auch die Ausstellung mit grosser Spannung miterleben werden. Allein die Kraft der Werke und ihre magnetische Ausstrahlung werden fraglos, so hoffen wir es zumindest, auch zu reger Anteilnahme unserer Besucher aus Deutschland und Frankreich führen. Auf jeden Fall sind wir hinsichtlich des Besuchs der «anderen Sammlung» sehr zuversichtlich und freuen uns auf Ihren Besuch.
*Christoph Vitali ist Direktor der Fondation Beyeler

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