Die ungerahmte Welt.
Virtuelle Realität als Medium für das 21. Jahrhundert
19.01.2017 – 05.03.2017
HeK – Haus der elektronischen Künste
Ohne geht es nicht. Wir müssen sie anziehen, diese komischen Brillen. Von aussen betrachtet sorgt dieses Bild im besten Fall für Heiterkeit. Die Welt jedoch, die sich im Innern auftut, könnte faszinierender nicht sein. Die Brille, ein sogenanntes Head-Mounted-Display (HMD), nutzt die Trägheit unseres Auges, das auf die Netzhaut projizierte Einzelbilder zu einem farbigen Gesamteindruck zusammensetzt. Damit sind wir drin in der unendlichen Welt der virtuellen Realität.
Das HeK (Haus der elektronischen Künste Basel) zeigt mit Die ungerahmte Welt die erste umfassende Ausstellung zum Thema virtuelle Realität (VR), die sich mit dem Einfluss dieser massentauglich gewordenen Technologie auf unsere Gesellschaft auseinandersetzt. Zusammen mit der freien Kuratorin Tina Sauerländer hat Direktorin Sabine Himmelsbach neun Künstler und Künstlerinnen eingeladen, sich kritisch mit den Anwendungsmöglichkeiten von VR auseinanderzusetzen und deren Möglichkeiten und Grenzen zu hinterfragen.
In der virtuellen Realität erleben wir eine Welt ohne die Begrenzung eines Bildschirms, einer Leinwand oder eines Raumes. Der Träger einer HMD-Brille verwandelt sich vom passiven Zuschauer zum aktiven Mittelpunkt einer dreidimensionalen Welt, die er mittels Controller oder Kopfbewegung steuern kann. Oder auch nicht, wie die Arbeit 2199 (2017) ironisch aufzeigt (2199 ist eine Zusammenarbeit von Fragment.In, der Künstlerin Maria Guta und dem Musicproduzenten Flexfab – siehe grosses Bild oben).
Auf motorisierten Drehstühlen sitzend, erkunden drei Nutzer ihre Umgebung, verändern virtuell Töne und Klänge und können sich untereinander synchronisieren und interagieren. Langsam jedoch verlieren die Teilnehmer die Kontrolle über ihre Interaktionen und müssen erkennen, wie ihre virtuelle Realität durch fremde Eingriffe manipuliert wird.
Mit der Arbeit 10.000 moving cities – same but different (2016) führt uns der Schweizer Künstler Marc Lee jene Bildwelten vor Augen, die auf sozialen Netzwerken wie YouTube, Flickr oder Twitter weltweit öffentlich gepostet werden. In Echtzeit partizipieren wir an den Themen der sozialen Welt, die Lee zu einer virtuellen Stadt aufgetürmt hat. Dabei erfahren wir wie Urbanisierung und Globalisierung unsere Welt stets verändert und sich unsere Art zu leben zunehmend ähnelt. Immer mehr Orte dieser Welt verlieren ihre eigene Identität und werden zu „Nicht-Orten“. Immergleiche Hotelzimmer, Flughäfen oder globale Kaffeeketten.
Kunst wird in der VR nicht mehr nur betrachtet, sondern erlebbar gemacht. Als Metadisziplin vereint sie Malerei, Skulptur oder Performance im digitalen Raum und ermöglicht ein völlig neues Eintauchen in Bildwelten – ohne die elitäre Schranke von erhabenem Kunstwerk und andächtigem Betrachter aufrechtzuerhalten. Während jedoch die Berührungsängste sinken, steigt dafür die Herausforderung im Umgang mit dem ästhetischen Potenzial und den schier unendlichen Möglichkeiten von VR. Die Ausstellung bietet einen umfassenden Einblick in diese schöne neue Welt und lässt uns erahnen, welche Errungenschaften und Gefahren diese Technologie für unsere Zukunft bereithält.