Architekt Emanuel Christ über die Inbesitznahme des Neubaus durch die Besucherinnen und Besucher
Artinside: Seit einigen Wochen ist der Neubau des Kunstmuseum Basel in Betrieb – an was denken Sie, wenn Sie die Besucherinnen
und Besucher beim Gang durch die neuen
Hallen beobachten?
Emanuel Christ: Mit der Eröffnung Mitte April hat dieser Bau für mich eine neue, öffentliche Dimension erhalten. Es war für mich erhebend zu erleben, wie sich die grosse Treppe mit Menschen füllt. Das Haus hat damit eine neue Masstäblichkeit erhalten. Ein Ausstellungsraum erfüllt seinen Zweck, wenn darin die Kunst präsentiert wird und die Besucher die Kunst erleben können. Ein zentraler Raum wie unsere grosse Treppe jedoch braucht die Menschen, die ihn beleben – ohne Sie ist er leblos. Wenn die Menschen einen Raum, den man entworfen hat, mit Freude und Neugier in Besitz nehmen, dann ist das für einen Architekten ein sehr schönes, emotionales Erlebnis.
Entwerfen heisst ja immer auch: Sich in die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer hineinzudenken. Das ist eine grosse Herausforderung und birgt entsprechend grosse Risiken. Gab es in der Planungsphase Entscheide, bei denen Sie gesagt haben: Das riskieren wir – und heute zeigt sich, dass die Lösung funktioniert?
Die grossen Fenster in den Ausstellungsräumen bargen ein gewisses Risiko, über sie haben wir in der Entwurfsphase oft und lange diskutiert – im Team, aber auch mit den Museumsleuten. Erträgt ein Ausstellungsraum überhaupt Fenster? Aus technischer und kuratorischer Sicht wird beim Museumsbau meist auf Fenster verzichtet, aber wir wollten den Besucherinnen und Besucher gewisse Ausblicke ermöglichen. Gerade der Blick vom Neubau auf den Hauptbau bietet eine Perspektive, die zuvor so nicht sichtbar war und welche die Eleganz und Modernität des Hauptbaus zum Vorschein bringen. In diesem Sinn ist das Resultat sehr befriedigend, es hat sich gelohnt, das Risiko einzugehen.
Wenn Sie einem blinden Besucher den Neubau beschreiben müssten, welche Worte würden Sie wählen?
In diesem Haus gibt es zwei Raumtypologien: In der Mitte das dynamische, monumentale Treppenhaus mit seinem grossen Oblicht – eine Art expressive Raumskulptur mit unterschiedlichen Raumbeziehungen. Für die Kunst gibt es auf jedem Geschoss zwei Ausstellungstrakte, die in sich geordnet und ruhig sind: Eine elementare Architektur mit rechtwinkligen Grundrissen. Wir haben klassische Räume entworfen, mit festen Wänden, aber einer sehr intimen Atmosphäre.