Fernand Léger – Paris – New York
01.06.2008 – 07.09.2008 | Fondation Beyeler
Von Philippe Büttner*
Der Franzose Fernand Léger (1881-1955) gehört zu bedeutendsten Künstlern der klassischen Moderne. Sein Werk ist in Basels Museen exzellent vertreten: Zusammen genommen verbinden sich die Bestände seiner Werke in der Fondation Beyeler und im Kunstmuseum Basel zu einem der weltweit besten Ensembles seiner Kunst. Nachdem das Kunstmuseum Basel 1994 Légers Frühwerk bis 1924 gezeigt hatte, präsentiert die Fondation Beyeler einen repräsentativen Querschnitt durch Légers gesamtes Schaffen von 1912-1955. Die Ausstellung ist die weltweit grösste zu Léger seit der grossen Retrospektive von 1997/98 in Paris, Madrid und New York. Sie setzt mit Légers spektakulären kubistischen Werken der Jahre bis zum Ersten Weltkrieg ein und fokussiert dann auf die berühmten Bilder zum Thema der modernen Grossstadt mit ihren Zeichen, Formen und Figuren.
Als Nächstes präsentiert sie die bedeutenden Reihen von Figurenbildern und Stilleben der 20er und 30er Jahre mit ihren klar umrissenen Formen und oft leuchtenden Farben. Auch die Werke der Zeit des Zweiten Weltkriegs – den Léger in den USA verbrachte – sind mit Hauptbeispielen vertreten. Daran schliesst sich das farbenfrohe Spätwerk an, in dem Légers Schaffen in monumentaler Heiterkeit ausklingt. Zugleich hat die Ausstellung einen besonderen Schwerpunkt: Légers besondere Beziehung zu den USA. Anders als etwa Picasso hat Léger dieses Land persönlich kennen gelernt.
Die Eindrücke seiner ersten Ankunft im Hafen von New York im Herbst 1931 beschreibt Léger wie folgt: «Wir stehen auf Deck und suchen die Freiheitsstatue, Frankreichs Geschenk an die Vereinigten Staaten. Aber wir sehen nur ein bescheidenes Figürchen, das vor dem Hintergrund des neuen, kühn aufschiessenden Kontinentes verloren im Hafen steht. Wie hoch es auch seine Arme emporhebt – man beachtet es kaum. Es kommt nicht zu Geltung. Wie eine matte Nachtlampe wirft es einen gedämpften Schein auf riesige Silhouetten, die sich bewegen und wachsen und es mit der überlegenen Gleichgültigkeit solcher Grösse in den Schatten stellen …»
Es sollte nicht seine einzige Reise in die USA bleiben: 1935/36 und 1938 kehrte er nochmals für mehrere Monate dorthin zurück, bevor er schliesslich 1940 als Exilant nochmals wiederkam – und bis Ende 1945 blieb. Die Erfahrungen, die er während seiner diversen Aufenthalte in Amerika machte, waren für Léger von grosser Bedeutung. Das riesige Land mit seinen Menschen, seiner Architektur, seiner modernen wirtschaftlichen Dynamik faszinierte ihn sehr und hat in seinem Schaffen wichtige Spuren hinterlassen. In den USA entstanden zahlreiche Hauptwerke Légers. Zu erwähnen sind insbesondere bedeutende Auftragsarbeiten: so zeichnete er für die malerische Dekoration von Nelson A. Rockefellers New Yorker Appartment verantwortlich und schuf 1942 für den Architekten Wallace K. Harrison auf Long Island ein riesiges Wandbild zum damaligen Hauptthema seiner Kunst, den Tauchern. Die Arbeiten für Rockefeller sind in der Ausstellung anhand der Entwürfe dokumentiert. Das Wandbild hingegen wird im Original in der Ausstellung gezeigt. Es war nachträglich abgenommen worden und gehört heute dem Museum Ludwig in Köln. Weitere wichtige Arbeiten Légers der Jahre in Amerika sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen, darunter Architekturbezogene Werke und zentrale Gemälde. Darunter befinden sich auch solche, die dokumentieren, wie Léger in New York neue Farb-Konzepte entwickelte: sie basierten darauf, dass er breite Farbflächen auf das Bild setzte, die sich nicht an die Umrisslinien von Figuren und dergleichen halten. Léger fand die Idee dazu als er im nächtlichen New York die Wirkung von Leucht-Reklamen beobachtete:
«Im Jahre 1942, als ich in New York war, verblüfften mich die Reklameprojektionen, die durch die Strassen fegen – besonders am Broadway. Man steht da, spricht mit jemandem, und plötzlich wird es blau. Dann verschwindet die Farbe, eine andere kommt, und es wird rot, gelb. Diese Farbe da, die Farbe der Scheinwerfer, ist frei: sie befindet sich im Raum. Dasselbe wollte ich auch auf meinen Bildern machen. Es ist sehr wichtig für die Wandmalerei, weil keine Übergänge da sind, aber ich benutzte es auch für meine Staffeleibilder … Ich habe das nicht erfunden. Ich habe keine Phantasie.»
Doch Léger ist nicht nur von Amerika geprägt worden. Seine Kunst hat ihrerseits inspirierend auf wichtige amerikanische Künstler gewirkt. Dies gilt nicht zuletzt für grosse Künstler der Generation der Pop Art, darunter Roy Lichtenstein und Ellsworth Kelly (* beide 1923), Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Al Held und Kenneth Noland. In der Léger-Retrospektive der Fondation Beyeler werden Hauptwerke dieser Künstler mit einbezogen. Dies erlaubt es zu erfahren, wie die Amerikaner auf Légers charakteristische Kompositionsweise antworteten und sich davon inspirieren liessen. Léger pflegte seine Bilder als Assemblagen aus einzelnen Formen aufzubauen. So als würde er statt etwa eine Figur zu malen eine Mechanik aus Formen zusammenbauen. Diese Arbeitsweise hat gerade die Pop Art Künstler sehr interessiert. Auch sie arbeiteten gerne mit Versatzstücken der Wirklichkeit, mit Objekten des alltäglichen Lebens.
Die Idee, amerikanische Künstler in die Ausstellung miteinzubeziehen, die Légers Schaffen schätzen und noch immer schätzen, stiess gerade bei den Künstlern selbst und ihren Familien auf lebhaftes Interesse. Neben James Rosenquist und Kenneth Noland liess sich etwa auch die Roy Lichtenstein Foundation in New York für das Projekt begeistern. Und Ellsworth Kelly, der Légers Kunst seit jeher bewundert, wird sogar selber bei der Einrichtung der Räume mit Hand anlegen, in denen seine Werke denjenigen Légers begegnen. – Fernand Léger wird also für einmal nicht nur als grosser Klassiker erscheinen, sondern als Künstler, dessen Werke heute mit denjenigen seiner amerikanischen Enkel in Dialog treten.
* Philippe Büttner ist Kurator der Fondation Beyeler