Weibsbilder
07.10.2017 – 07.01.2018
Kunstmuseum Basel
Von Petra Schneider
Das männliche Geschlecht sah sich um 1500 einer zunehmenden Bedrohung durch die Frauen ausgesetzt. Verführt von deren Liebreiz und Schönheit, blind und taub für alle Warnungen, wurde der Mann im besten Falle lächerlich gemacht, wie Aristoteles, der von Phyllis, der Geliebten Alexander des Großen, erst mit einem Liebeszauber belegt und dann als Reittier missbraucht wurde, zu sehen in dem Holzschnitt Aristoteles und Phyllis (1513) von Hans Baldung Grien. Nicht selten stürzten sich verliebte Männer in Unkosten, um von ihrer Angebeteten erhört zu werden und wurden dann um Hab und Gut, sowie die Liebe betrogen. Im schlimmsten Fall bezahlten sie ihre Schwäche für das weibliche Geschlecht gar mit dem eigenen Leben.
Mit all diesen von Moralaposteln geschürten Männerängsten und, mitunter bis heute, tief verwurzelten Geschlechterklischees beschäftigt sich die Ausstellung Weibsbilder. Eros, Macht, Moral und Tod um 1500 im Basler Kunstmuseum. Die von Ariane Mensger kuratierte Schau versammelt vor allem Zeichnungen und Druckgrafiken sowie einige Gemälde und eine Kleinplastik aus dem frühen sechszehnten Jahrhundert. Allesamt von männlicher Hand geschaffen, eröffnen die Werke, gegliedert in die vier Themenbereiche Eros, Macht, Moral und Tod, einen facettenreichen Einblick in die männliche Psyche der damaligen Zeit.
Liebesfreud und Liebesleid
Um 1500 wurden in der bildenden Kunst vermehrt Sujets behandelt, mit denen sich einerseits der nackte weibliche Körper in Szene setzen liess, was vorher nur in einem sehr engen, von der religiösen Ikonographie vorgegebenen Rahmen, etwa bei der Darstellung Evas im Paradies, möglich gewesen war, und anhand derer gleichzeitig vor den negativen Folgen der Liebe und des sinnlichen Vergnügens gewarnt werden konnte. Zahlreiche Darstellungen zeigen die nackte Liebesgöttin Venus. Oft zum Zeichen ihrer Flatterhaftigkeit mit Flügeln ausgestattet, balanciert sie unsicher auf einer Kugel und ist mit lassoartigen Seilen bewaffnet, mit denen sie ihre wehrlosen Opfer einfängt. In der Zeichnung Frau Venus (1512) von Niklaus Manuel Deutsch verschießt ein auf der Göttin Schulter stehender Amor Pfeile mit Narrenkappen, die sich der Getroffene dann überstreifen wird.
Mitunter lassen sich die Narren auch einfach vom Baum schütteln. In unterschiedlichen Entwicklungsstadien, mal nur als Kappe tragender Kopf oder gleich als fertig ausstaffierter Narr, purzeln sie aus der Krone des Narrenbaums (um 1525), an welchem ein attraktives Frauenzimmer vehement rüttelt um möglichst viele Liebesnarren zu ernten. Aber nicht nur die Männer leiden an den Folgen der Liebe auch die Frauen selbst fallen ihrem wollüstigem Treiben zum Opfer. In der Zeichnung Die Liebesqualen (um 1516) von Urs Graf wird das Herz einer schönen Dame auf alle erdenklichen Arten gemartert, so dass ihr als einziger Ausweg der Selbstmord bleibt. Liebe ist unheilbar warnt schon Frau Venus in Sebastian Brants Narrenschiff (1494): „Und wer einmal von mir wird wund, / den macht kein kräftig Kraut gesund.“
Liebeszauber und dunkle Magie
Frauen haben Macht über Männer, nicht nur wenn sie den Kampf um die Hose (um 1495, Kupferstich von Israhel van Meckenem) gewonnen haben. Allein die Aussicht in den Genuss ihrer verführerischen Reize zu kommen, ließ die Männer unvorsichtig werden und so dienten antike und biblische Herren, denen von Frauen übel mitgespielt worden ist, als Mahnmal für den Mann der Renaissance: von Samson, dem im Schlaf von Delila das Haar und damit auch die Kräfte geraubt wurden, über Vergil, der in einem Korb an der Palastmauer unter dem Fenster der von ihm angebeteten Kaisertochter bloßgestellt wurde, bis zu Sisera, der von seiner Geliebten Jael im Schlaf ermordet wurde.
Und das sind längst nicht alle Gefahren denen man(n) ausgesetzt war: allerorten lauerten Hexen, die zahlreiche Arten von Schadenszaubern betrieben und mit Dämonen verkehrten. Die 1486 vom Inquisitor Heinrich Kramer publizierte Schrift Hexenhammer verknüpft in der Argumentation unter anderem die weibliche Sexualität mit dem Teufel. Er betont, dass Frauen aufgrund ihrer Glaubensschwäche anfälliger seien für Hexerei und unterstellt ihnen zudem Machtstreben, Rachsucht und Habgier. Der Künstler Hans Baldung Grien hat sich eingehend mit der Hexenthematik beschäftigt. In seinen Zeichnungen und Holzschnitten erscheinen die Hexen einerseits als junge Schönheiten, die verkehrt herum auf einem Ziegenbock durch die Lüfte reiten oder sich mit Fabelwesen verlustieren – Hexe und fischgestaltiger Drache (1515) – und andererseits als hässliche Alte, welche aus kuriosen Zutaten ihre Zauberelixiere zusammenbrauen.
Sexualisierung biblischer und antiker Themen
Um 1500 setzte ebenfalls eine Sexualisierung schon etablierter ikonografischer Themen ein. Der Sündenfall wird immer häufiger als erotischer Akt inszeniert bei dem sich Adam und Eva umarmen oder gar küssen. Auch die Ölverschwendung der törichten Jungfrauen im biblischen Gleichnis wird neu als Verlust der Jungfräulichkeit interpretiert und Urs Graf zeichnet eine „Kluge“ Jungfrau (1513), deren Lampe zwar noch brennt, die aber offensichtlich hochschwanger ist. Und die antike Tugendheldin Lucretia, die sich nach der Vergewaltigung durch Sextus Tarquinius selbst entleibt um die Ehre ihrer Familie wieder herzustellen, wird von Lucas Cranach d. Ä. im Moment der Selbsttötung in erotisch lasziver Pose, nackt, nur von einem durchsichtigen Schleier umspielt, welcher ihr Geschlecht mehr betont als verhüllt, dargestellt. Hier ist die ikonographische Vorlage lediglich ein Alibi für die Zurschaustellung eines schönen weiblichen Körpers.
Die Ausstellung Weibsbilder. Eros, Macht, Moral und Tod um 1500 zeigt vor allem die Symptome männlicher Ängste vor weiblicher Dominanz. Sie sind Zeichen unterdrückter, nicht auslebbarer Begierden, denn im bürgerlichen Tugendregiment der Zeit war die Ausübung von Sexualität nur in der Ehe gestattet, welche aber viele aus materiellen oder gesellschaftlichen Gründen nicht eingehen konnten. Das Frauenbild in der christlichen Welt war von Anfang an negativ geprägt und um 1500 setzte nochmals eine Abwertung ein. Gründe hierfür sieht Ariane Mensger zum einen in einer zunehmenden Konkurrenz auf dem städtischen Arbeitsmarkt, welche in der Folge den Frauen den Zugang zur Berufstätigkeit erschwerte, und zum anderen im von der Reformation propagierten Ideal der bürgerlichen Hausfrau und Mutter. Durch einen verschärften Sittenkodex wurde zudem die Prostitution stärker kontrolliert, eingeschränkt und mancherorts sogar ganz verboten. Dies alles mögen Gründe für das gespannte Verhältnis zwischen Mann und Frau gewesen sein.
Nun sind freilich nicht alle im Kunstmuseum Basel ausgestellten Sujets so grimmig ernst zu nehmen, wie das die Kommentierung gelegentlich suggeriert. Vieles ist überzeichnet, an der Grenze zur Karikatur und manchmal, aus dem Blickwinkel des männlichen Künstlers, erfrischend selbstironisch. Diese Ironie hätte das Basler Ausstellungskonzept vielleicht mehr betonen können. Dennoch: vielfach amüsant und lehrreich präsentiert sich der Reigen der „Weibsbilder“ im Kunstmuseum Basel, wo sie noch bis zum 7. Januar 2018 die Betrachter in ihren Bann ziehen.