Georgia O’Keeffe, Black Mesa Landscape, New Mexico / Out Back of Marie’s II, 1930

Georgia O’Keeffe – die kühne und radikale Art des Sehens

Fondation Beyeler

23.01.2022 – 22.05.2022

Die Fondation Beyeler widmet ihre Frühjahrsausstellung Georgia O’Keeffe (1887–1986), einer der bedeutendsten Malerinnen und Ikone der modernen amerikanischen Kunst.

Mit der grossen Retrospektive zu Georgia O’Keeffe (1887–1986) präsentiert die Fondation Beyeler eine der bedeutendsten Malerinnen und eine herausragende Persönlichkeit der modernen amerikanischen Kunst. Mit 85 Werken aus allen Schaffensphasen bietet die Ausstellung einen umfassenden Überblick über die lange, sechs Jahrzehnte umspannende Karriere und das facettenreiche Œuvre der Künstlerin. 

Georgia O’Keeffe, Jimson Weed / White Flower No. 1, 1932
Georgia O’Keeffe, Jimson Weed / White Flower No. 1, 1932, Öl auf Leinwand, 121,9 x 101,6 cm, Crystal Bridges Museum of American Art, Bentonville, Arkansas, 2014.35. © Georgia O’Keeffe Museum / 2021, Pro Litteris, Zürich

Im Zentrum von O’Keeffes Schaffen steht die Auseinandersetzung mit der Natur und den Landschaften des ländlichen Amerika. Die Ausstellung in der Fondation Beyeler richtet ihr Augenmerk dabei auf die besondere Art, wie O’Keeffe auf ihre Umgebung blickte und wie sie das Wahrgenommene in neue, bis dahin ungesehene Bilder der Realität umsetzte. Von der extremen Nahsicht auf natürliche Formen wie Blüten und Laubblätter bis hin zum Blick auf die Landschaft von hoch oben aus dem Flugzeug erprobte O’Keeffe zeitlebens ungewöhnliche Perspektiven und Sichtweisen. Ihre künstlerische Suche war geprägt vom Wechselspiel zwischen Naturnähe und Abstraktion. In den Werken pendelte sie immer wieder zwischen mehr oder weniger gegenständlichen und abstrahierten Darstellungsweisen. Nicht zuletzt deshalb will ihr innovatives und wegweisendes Werk nicht so recht in die gängige kunsthistorische Entwicklungs-
geschichte der modernen abstrakten Malerei passen.

Das Erkunden der Umgebung bildete eine Grundkonstante in O’Keeffes Leben und war Teil ihrer künstlerischen Praxis. Auf täglichen Spaziergängen, ausgedehnten Exkursionen und Campingtouren tauchte sie ein in die Natur. Regelmässig wechselnde Wohnorte innerhalb der Vereinigten Staaten boten O’Keeffe dabei immer wieder neue Inspiration, was sich in den Werken widerspiegelt. Bereits als junge Kunstlehrerin in Texas war sie fasziniert von den weiten Ebenen und dem offenen Himmel, die sie später in New Mexico wiederfinden sollte. In der Ausstellung ist eine Auswahl der frühen leuchtend farbigen Aquarelle und Ölgemälde zu sehen, in welchen sie ihre tiefe Verbundenheit mit dieser Landschaft zum Ausdruck brachte. Eine weitere äusserst produktive Schaffensphase erlebte O’Keeffe in den 1920er- Jahren, als sie zwischen der Metropole New York und dem ländlichen Lake George im Norden des Bundesstaats New York pendelte. Mit Gemälden der damals neu errichteten Wolkenkratzer, die das New Yorker Stadtbild markant veränderten und als amerikanische Errungenschaft gefeiert wurden, griff sie ein modernes Sujet schlechthin auf. Parallel dazu fand sie besonders in der Umgebung des Lake George und seiner ortstypischen Vegetation – den Bäumen, Blumen oder gesammelten Blättern – neue Motive für ihre Malerei. Die Darstellungen grosser Blumenblüten, die sie in Nahsicht und ausschnitthaft wiedergab, wurden rasch zu ihrem Markenzeichen.

Georgia O’Keeffe, Oriental Poppies, 1927
Georgia O’Keeffe, Oriental Poppies, 1927, Öl auf Leinwand, 76,7 x 102,1 cm, Collection of the Frederick R. Weisman Art Museum at the University of Minnesota, Minneapolis. Museum purchase. 1937.1. © Georgia O’Keeffe Museum / 2021, Pro Litteris, Zürich

Als O’Keeffe 1929 erstmals für einen viermonatigen Aufenthalt nach Taos in den Norden New Mexicos reiste, war sie sofort tief beeindruckt von der atemberaubenden Landschaft und der vielfältigen Kultur – von den jahrtausendealten Traditionen der indigenen Bevölkerung und hispanischen Einflüssen, welche die Region bis heute prägen. Im Streben nach einer authentischen «amerikanischen» Kunst und auf der Suche nach neuen Motiven fanden damals viele moderne Künstler im Südwesten Inspiration. O’Keeffes Werke aus der Zeit des ersten Aufenthalts in New Mexico waren beeinflusst von den für die Region typischen Charakteristika wie der Lehmziegel-Architektur und den in der Landschaft aufgestellten Büsserkreuzen. In den 1930er- und 1940er-Jahren verbrachte sie saisonal einen Teil des Jahres in New Mexico, bevor sie sich 1949 permanent in ihrer neuen Wahlheimat niederliess. In Landschaftsgemälden mit Tafelbergen, Canyons und aussergewöhnlichen Hügelformationen richtete sich O’Keeffes Interesse zunehmend auf die geologischen Besonderheiten des amerikanischen Südwestens, den sie bis ins hohe Alter auch auf Rafting-Touren erkundete. In der Ausstellung lässt sich nachvollziehen, wie sich der Blick der Künstlerin auf New Mexico im Laufe der Zeit wandelte.

Georgia O’Keeffe galt in den USA schon zu Lebzeiten als Ikone der neuen amerikanischen Kunst des 20. Jahrhunderts. In Europa ist ihr Œuvre vergleichsweise wenig bekannt. Die meisten Werke befinden sich in amerikanischen Museen und Privatsammlungen und sind hierzulande nur selten im Original zu sehen. Für die Retrospektive ist es gelungen, Hauptwerke aus allen wichtigen Schaffensphasen von 1915 bis 1977 zu versammeln. Georgia O’Keeffe ist die erste grosse Überblicksschau der Künstlerin in Basel und die erste in der Schweiz seit fast 20 Jahren.

Die Ausstellung wurde von der Fondation Beyeler, Riehen/Basel, vom Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid, und vom Centre Pompidou, Paris, in Partnerschaft mit dem Georgia O’Keeffe Museum, Santa Fe, organisiert.

Julia Keller ist Assistenzkuratorin an der
Fondation Beyeler

Schreibe einen Kommentar