Grenzenlos grausam?

Grenzenlos grausam?
02.09.2016 – 29.01.2017
Skulpturhalle Basel

Ella van der Meijden*

Bei den Griechen bildeten sich schon früh ein Bewusstsein und ein Stolz für die eigene Zivilisation heraus, die durch göttliche Ordnung und gemeinschaftliche Normen und Grenzen geprägt war. Man projizierte die Einflüsse, die dieses Gesellschaftssystem stören und gefährden konnten, auf mythische Gegenbilder. Ein Beispiel dafür ist der Kampf gegen die Giganten – sie bedrohten die Herrschaft der Olympischen Götter – oder gegen die wilden Kentauren, die Chaos in einen geordneten Raum brachten. Im Kampf der Griechen gegen die Amazonen, ein Frauenvolk, das die griechischen Regeln der Rollenverteilung verletzte, kam die (männliche) Grundangst vor einer möglichen Umkehrung der gesellschaftlichen Ordnung zum Ausdruck.

Fremde Völker wie die Perser verkörperten alles, was als ungriechisch galt. Man kennzeichnete sie möglichst drastisch als barbarisch und unzivilisiert und betonte dadurch den Gegensatz zwischen ihnen und der eigenen Kultiviertheit. So schuf man ein ideales Feindbild.

Kampf zwischen Griechen und Kentauren, Metope von der Südseite des Parthenon auf der Akropolis in Athen; 447–442 v. Chr.; Abguss Skulpturhalle Basel
Kampf zwischen Griechen und Kentauren, Metope von der Südseite des Parthenon auf der Akropolis in Athen; 447–442 v. Chr.; Abguss Skulpturhalle Basel

Geschickt inszenierten die Griechen diese Auseinandersetzungen an Bauten an exponierten Orten, etwa auf der Akropolis oder auf der Agora in Athen. Damit brachte Athen nicht nur die Überlegenheit der griechischen Kultur zum Ausdruck, sondern stellte auch seine politische und militärische Macht unter Beweis, benutzte sie also zur Herrschaftslegitimation.

Die Ausstellung Grenzenlos grausam? umfasst Abgüsse von Reliefs und Statuen aus der hauseigenen Sammlung sowie Vasen und andere Objekte aus dem Antikenmuseum Basel. Sie fokussiert auf den Umgang mit Gewaltdarstellungen im antiken Griechenland von der archaischen bis zur hellenistischen Zeit – insbesondere vom 6. bis zum 2. Jahrhundert v. Chr.: Wo und wie hat man bestimmte Themen dargestellt?

Die grossformatigen Darstellungen – Reliefs, dreidimensionale Werke und Tafelbilder – waren für (fast) alle Bewohner eines Gemeinwesens sichtbar. Weit verbreitet waren aber auch Bilder auf bemalten Gefässen und anderen kleinformatigen Trägern, die hingegen vor allem für die Oberschicht bestimmt waren. Sie zeigen alle Facetten der Gewalt: von Kämpfen über grausame Bestrafungen von Frevlern, von sich selbst tötenden Feinden bis zu männermordenden Frauen.

Die Bilder widerspiegeln die (Ideal-)Vorstellungen der Männer, denn diese stellten die Kunstwerke her und bemalten sie. Sie waren auch die Hauptkonsumenten dieser Medien und folglich die Hauptadressaten.

Die Beschäftigung mit den antiken Gewaltbildern regt zur kritischen Auseinandersetzung mit dem heutigen Phänomen Gewalt an. Sie sensibilisiert das Publikum vor einem geschichtlichen Hintergrund dazu, Gewalt und ihre Darstellung zu hinterfragen. Auch die bildende Kunst setzt sich heute im weitesten Sinn mit der Thematik auseinander und reflektiert sie. Einige zeitgenössische Positionen aus verschiedenen Medien – Malerei, Video, Zeichnung, Fotografie, Film – bilden deshalb den Auftakt zur Ausstellung.

*Ella van der Meijden ist Leiterin der Skulpturhalle Basel
und Kuratorin der Ausstellung

 

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