Henri Matisse
12.10.2013 – 12.01.2014
Fondation Beyeler

Von Ulf Küster, Kurator der Fondation Beyeler
Scherenschnittwerke und Gemälde von Henri Matisse (1869–1954) aus der Sammlung Beyeler werden vom 12. Oktober 2013 bis zum 12. Januar 2014 in einer besonderen Präsentation nach langer Zeit wieder ausgestellt.
Die Präsentation ermöglicht ein Wiedersehen mit den blauen Akten, Matisse’ berühmtesten Scherenschnitten, wahren Ikonen der Sammlung Beyeler. Nu bleu I ist das Bild einer Kauernden, ein wunderbar in sich geschlossenes Werk, das wie aus einem Guss zu sein scheint. In seinen Formen spielt es mit «innen» und «aussen» und vermittelt dadurch eine Art von körperlicher Kontemplation, von in sich ruhender Erotik. Ganz anders
Nu bleu, la grenouille: Die wie Meeresbuchten anmutenden, auf dem leuchtend gelben Untergrund verteilten, blauen Formen des Körpers strahlen Aktivität und explizite Erotik aus.
Am Ende seines Lebens fand Matisse zu einer völlig neuen Ausdrucksform, die man als Summe seiner Bemühungen um ein harmonisches Bild, um seine Idee einer «grande décoration» sehen kann: Er reduzierte Figur, Farbe und Raum auf eine Art System von Zeichen, die er aus eingefärbtem Papier mit der Schere schnitt und zu Bildern arrangierte, welche zunächst die Wände seines Ateliers schmückten.
Endlich ist auch er wieder zu sehen: Henri Matisse’ grossformatiger Scherenschnitt Acanthes. Drei Jahre dauerten die Restaurierungsarbeiten an dem Werk, die grosszügig von der Versicherung National Suisse unterstützt worden sind. Drei Jahre, in denen Acanthes nicht nur ausführlich untersucht, sondern auch für künftige Generationen erhalten wurde. Drei Jahre auch, in denen man als Besucher im Museum den Restauratoren bei der Arbeit über die Schulter blicken konnte. Dabei war eine der vielen Erkenntnisse, die man durch die Beschäftigung mit dem Werk gewann, dass Matisse auch aus kunsttechnologischer Sicht ein Könner war: Die Befürchtung, das Werk sei durch die langen Perioden des Ausstellens in den 1960er- und 1970er- Jahren schwer beschädigt worden, hat sich nicht bewahrheitet. Matisse verwendete nur die besten und dauerhaftesten Materialien und war wohl sehr um die dauerhafte Präsentation seiner Scherenschnitte bemüht. Die gründlichen Recherchen der Restauratoren Markus Gross und Stephan Lohrengel haben grossartige Einblicke in Matisse’ Arbeit ergeben. Man fühlt die Pranke des Löwen, der mit grosser Geste dabei ist, das scheinbar einfache, grossartige Werk zu formen.
Sehr deutlich wird, wie Henri Matisse, dessen Werk sich gleichermassen zu einer puristischen Reduktion der Form wie auch zu einem innovativen Umgang mit Farbe entwickelte, gerade durch seine Arbeit an den Scherenschnitten die europäische Moderne wie auch die Vertreter des abstrakten Expressionismus in den USA geprägt hat. Alle Scherenschnitte aus der Sammlung Beyeler werden nach der Präsentation in der Fondation Beyeler nach London in die Tate Modern und danach ans Museum of Modern Art nach New York reisen, wo in den Jahren 2014 und 2015 eine grosse Ausstellung der Scherenschnitte von Henri Matisse stattfinden wird.