Forum Würth Arlesheim
Bis 29.10.2023
Das Forum Würth Arlesheim widmet Christopher Lehmpfuhl eine grosse Einzelausstellung mit dem Titel «Zwischen Pathos und Pastos – Christopher Lehmpfuhl. Sammlung Würth». Artinside hat den deutschen Künstler zu einem Gespräch getroffen.
Herr Lehmpfuhl, Sie haben ein körperliches Verhältnis zu Malerei, Sie malen im Freien und tragen die Farbe mit der Hand auf. Was reizt Sie daran?
Ich habe klassisch mit dem Pinsel zu malen begonnen. Aber mit diesem Werkzeug distanziert man sich auch von der Leinwand. Die Farbe mit der Hand aufzutragen, ist ein viel sinnlicheres Erlebnis, denn ohne Pinsel ist man direkt in der Malerei. Man bekommt ein Gespür für die Konsistenz der Farbe, für deren Temperatur. Bei Minusgraden fühlt sich das schon mal an, als ob man mit Eiscreme malen würde. Meine Bilder bekommen dadurch eine grössere Authentizität, denn sie sind erlebte Natur.
Sie tragen grosse Leinwände und schwere Farbeimer in die abgelegensten Winkel der Erde und trotzen ungemütlichem Wetter. Wie wichtig ist Ihnen dieser Widerstand der Natur?
Ich brauche diesen Widerstand, ich geniesse ihn sogar, denn er macht etwas mit mir. Je dynamischer das Wetter, des-to grosszügiger der Farbauftrag – desto pastoser meine Malerei! Das Bild Sturm Helgoland entstand während eines Sturms mit Orkanböen. Kein Flugzeug und kein Schiff hat sich mehr bewegt, ich war komplett abgeschnitten vom Festland. Aus einer solchen Situation ist ein Werk entstanden, das einen sehr bewegten und «dicken» Farbauftrag aufweist.
Welche Facetten Ihres Werks sehen wir in der Ausstellung «Zwischen Pathos und Pastos» im Forum Würth Arlesheim?
Hier wird ein sehr breites Spektrum meines Schaffens abgedeckt: Bilder meiner Malreisen nach Island, Südtirol, Indien oder Kalifornien. Und als Kontrast dazu meine Stadtbilder von Berlin, genauer vom Schloss-platz, der mich sehr in den Bann gezogen hat. Die Ausstellung zeigt aber auch eine innere Reise: Es sind einige Leihgaben aus dem Schwarz-Weiss-Zyklus Neue Heimat zu sehen, den ich meinen 2018 verstorbenen Eltern gewidmet habe. Sie entstanden nach Schwarz-Weiss-Fotos mit Pinsel und im Atelier.
Ihre Werke sind sehr dreidimensional, für gewisse Bilder haben Sie gegen 50 Kilogramm Farbe verwendet – ein fliessender Übergang von Malerei zu Skulptur?
Ja, absolut, ich bin ein malender Bildhauer. Ich modelliere die Wirklichkeit nach, es ist immer eine Auseinandersetzung mit
ihrer Dreidimensionalität. Manchmal werde ich gefragt, womit ich diese Materialität erzeuge, ob ich die Farbe mit Speck unterlege. Aber das ist alles pure Farbe, die übrigens von bester Qualität ist. Ich muss mit magerer Farbe malen, das ist eine Farbe mit wenig Ölanteil.
Ihr Atelier ist die Welt da draussen.
Brauchen Sie dennoch einen Ort, an dem
Sie drinnen arbeiten können und greifen
Sie da nochmals in Ihre Bilder ein?
Das, was ich vor Ort vollende, ist in sich abgeschlossen und wird im Atelier auch nicht mehr angetastet. Mein Atelier ist mein Showroom und mein Rückzugsort. Ich habe dort einen Flügel stehen, auf dem ich meist spiele, bevor ich mit dem Arbeiten beginne. Es ist aber auch der Ort, wo die Logistik stattfindet, Projekte und Ausstellungen geplant werden und meine Publikationen entstehen.
Interview Sibylle Meier
Die Ausstellung zeigt rund 35 Werke aus der Sammlung Würth, ergänzt um einige Leihgaben des Künstlers. Zu sehen sind auch einzelne Objekte, die den Arbeitsprozess des Künstlers erahnen lassen. Drei Dokumentarfilme, die unter der Regie von Sebastian Schrade entstanden sind (2010, 2014 und 2016) geben zudem Einblick in das kreative Schaffen Lehmpfuhls.