Kunstmuseum Basel | Gegenwart
15. Oktober 2016 – 26. Februar 2017
Das Medium der belgischen Künstlerin Joelle Tuerlinckx (*1958) ist nicht Malerei, nicht Skulptur, auch nicht Performance. Tuerlinckx arbeitet mit dem Medium – der Ausstellung selbst. „Die Räume des Museums sind ihre Leinwände, das Museum ist ihr Atelier“, erläutert Soren Grammel, Leiter des Kunstmuseum Basel Gegenwart und Kurator der Ausstellung. Daraus ergibt sich, dass die Arbeit im Medium der Ausstellung nie fixiert ist und auch nicht wiederholt werden kann, denn jeder Ausstellungsort ist anders.
Fundstücke und Alltagsgegenstände
Raum und Zeit, Ort und Kontext verändern sich und beeinflussen die Arbeit von Tuerlinckx. Ihre Basis sind Fundstücke und einfache Alltags-gegenstände – wie etwa Untersetzer aus Papier oder Pet-Flaschen aus dem St. Alban-Teich – die sie seit Jahren oder vor Ort sammelt. Sie bilden den Ausgangspunkt ihrer Auseinander-setzung. „Toute est parlante“ (alles ist sprechend), weiss die Künstlerin, denn dieselben Dinge sind überall anders. Für ihre Ausstellung „Nothing for eternity“ hat sie sich eingehend mit dem Museum für Gegenwartskunst und seinem Basler Kontext auseinandergesetzt. So besteht etwa die Arbeit Enter Here + Floor aus einem Stück Papier, welches sie im Rhein getränkt hat. Der Text darauf stammt aus der Arbeit Night Cabin, der 2002 Teil eines Beitrages zur Documenta in Kassel war. Auf dem Papier liegt eine Glasscheibe, in deren Spiegelung wiederum die permanent installierte Arbeit von Bruce Naumann Seven Virtues and Seven Vices sichtbar wird. Die Bedingungen vor Ort mischt die Künstlerin mit Arbeiten aus früheren Ausstellungen, die sie transformiert und mit Materialien aus ihrem Studio-Fundus, den sie sich ins Kunstmuseum Gegenwart liefern liess, zu einer neuen Konstellation verbindet.
„L’énérgie du sol est complètement différent du celle du mur“
Tuerlinckx setzt sich intensiv mit den Bedingungen des Ausstellens auseinander, denn eine Ausstellung ist in erster Linie eine Erfahrung im Raum. „L’énérgie du sol est complètement différent du cel du mur“ (die Energie des Bodens unterscheidet sich komplett von jener der Mauer). Diese Energie will erkannt, ausgestellt und neu gelesen werden. Immer wieder aufs Neue und kontinuierlich anders. Nichts bleibt sich gleich, alles verändert sich. Die Zeit hinterlässt ihre Spuren, greift ein, bringt hervor und lässt verschwinden. „Nothing for eternity“ eben. Tuerlinckx bedient sich aller möglichen Techniken – Zeichnungen, Collagen, Fotos, Videos und Texten – um darüber nachzudenken, was hinter den Dingen vorgeht. Dabei überführt sie Materialien auf eigenwillige Weise in ganz neue Bedeutungs-zusammenhänge. Durch kopieren, vergrössern, scannen und weiteren Techniken greift sie in die Erscheinung von Objekten ein und transformiert ihre Bedeutung, verändert deren Realität.
„Transkription von Materialien“
So findet sich im ersten grossen Raum ein weisser Ast, der fast mythisch aus der Wand wächst. „La branche est essentielle“ erläutert Tuerlinckx, denn er führt in die Ausstellung ein und versinnbildlicht was die Künstlerin mit ihren Bedeutungsverschiebungen erreichen will. Während sie den weissen Ast in seiner Künstlichkeit betont, findet sich im hinteren Teil der Ausstellung (silberner Raum) ein Stück Holz, welches roh und brachial – wie ein Stück Fleisch – von der Decke hängt. Hier findet die „Transkription von Materialien“ statt, wie es die Künstlerin selbst nennt, und verleiht der scheinbaren Banalität von Alltagsdingen eine neue Bedeutung. Innerhalb dieser Klammer spielt sich die Auseinandersetzung mit den Dingen und ihrer Erscheinung ab. Es braucht etwas Zeit sich in den Kosmos von Tuerlinckx einzulesen, aber der Aufwand wird mit einem frischen Blick auf die Welt und ihrer scheinbaren Realität belohnt.