Liebe Kunstfreunde und Kunstfreundinnen
Unsere Lebenswelt befindet sich in konstantem Wandel – oder wie Jean Tinguely kurz und knapp sagte: Le définitif – c’est le provisoire. Den Wandel prägen wir alle mit unserem kommunikativen Handeln mit. Kulturinstitutionen sind Plattformen, die diesen Austausch ermöglichen und mitgestalten. Es ist deshalb sinnvoll, wenn sie immer wieder ihre Angebote und Aufgaben hinterfragen. Auf politischer Ebene geschieht das aktuell gerade mit dem sich in Vernehmlassung befindenden neuen Kulturleitbild im Kanton Basel-Stadt: Mit den Fragen nach dem kulturellen Selbstverständnis und den mittelfristigen Perspektiven der Kulturförderung sind natürlich auch Fragen der Finanzierung verbunden.
Die ICOM, das International Council of Museums, steckt ebenfalls inmitten dieser in regelmässigen Abständen stattfindenden Diskussionen, was die Definition eines Museums ist und was in der Museumsarbeit essenziell sein sollte. Wir alle Kulturtätigen sind mit dem Mantra Sammeln, Bewahren, Erforschen und Vermitteln gross geworden, das die Kernaufgaben auch heute noch gültig beschreibt, allerdings in einer Form, die der Institution Museum, wie sie sich im 19. Jahrhundert ausprägte, auf den Leib geschrieben ist.
Was hat sich seither verändert? Wo drückt der Schuh in der heutigen Zeit? Die neue Museums- Definition soll Stichworte wie Diversität, Inklusion, Partizipation, Museen als Foren der politischen (demokratischen) Meinungsbildung oder gleichberechtigter Zugang zum materiellen und immateriellen Kulturgut für alle Menschen enthalten. Auch die Non-Profit-Orientierung soll ein wesentlicher Aspekt der Museumsarbeit sein, um der vor allem im Kunstbereich latenten Kommerzialisierung entgegenzuwirken. Schliesslich, und das finde ich besonders bemerkenswert, soll auch Enjoyment – Freude und Vergnügen – Museumserlebnisse prägen dürfen. Es ist einer der wichtigsten Motoren, um Teilhabe spielerisch zu fördern.
Das reichhaltige und vielseitige Angebot der Kunstinstitutionen in und um Basel, wie Sie es im Artinside sehen können, zeigt einmal mehr, dass diese dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Erlauben Sie mir, Ihnen die Ausstellung Len Lye – motion composer besonders zu empfehlen, an der das Museum Tinguely mit viel Herzblut seit vier Jahren arbeitet, um den neuseeländischen Künstler mit der grössten Ausstellung, die in Europa je stattgefunden hat, vorzustellen. Lye war Autodidakt und brachte künstlerische Mittel und unterschiedliche Bildsprachen auf faszinierende Weise in neue Zusammenhänge, ohne das Enjoyment zu vergessen.
Die neue Museumsdefinition der ICOM wurde übrigens von einer Mehrheit der Mitglieder abgelehnt, weil sie als zu ideologisch befunden wurde: Die Definition von Museum ist ähnlich schwierig wie diejenige von Kunst. Ihr freiheitlicher Impuls ist eine der besonderen Qualitäten, die eine Auseinandersetzung fruchtbar macht!
Schöne Ausstellungserlebnisse und wie stets viel Neugierde und Vergnügen wünscht Ihnen herzlich,
Roland Wetzel
Direktor Museum Tinguely Basel