Christopher Orr
Light Shining Darkly
20.04.2013 – 30.06.2013
Kunsthaus Baselland
von Sabine Schaschl*
Der britische Künstler Christopher Orr, der zu den eindrucksvollsten Malern der Gegenwart zählt, zeigt im Kunsthaus Baselland nebst Arbeiten der letzten Jahre auch speziell für die Ausstellung entstandene Werke. In seinen Malereien verbinden sich Landschaftsausschnitte, die an die Old Masters der Kunstgeschichte erinnern, mit Figuren, die dem 20. Jahrhundert zu entspringen scheinen. Abgetrennte zeitliche Momente verschmelzen, Unvereinbares kann zusammen gelesen werden, Altes und Neues verbindet sich und bildet zusammen mit dem Betrachter eine Verbindung mit der Gegenwart.
Christopher Orr malt meist an mehreren Bildern gleichzeitig. Als wichtiger Fundus für seinen Schaffensprozess erweist sich dabei sein Bildarchiv, bestehend aus alten Magazinen (allen voran «National Geographic») aus den 30er- bis 70er-Jahren und Büchern. Werke von Tiepolo, Vermeer, Bosch, Hals, van Eyck, Caravaggio und anderen sind konzeptuelle Vorbilder, auf die der Künstler immer wieder, v.a. in Details, zurückgreift. Zu seinem Archiv zählen auch thematische Bildsammlungen, die beispielsweise Wissenschaftliches, Mystisches oder Sphärisches gruppieren. Viele der Figuren, Objekte, Landschaften und die Tätigkeiten der Figuren entstammen dem Archiv. Der Künstler fügt sie collageartig aus verschiedenen Quellen zusammen, indem er sie zunächst in seinem Skizzenbuch konzipiert und zeichnet. Die daraus hervorgehenden, meist kleinformatigen und mit hoher Handfertigkeit produzierten Ölmalereien verlocken zum detaillierteren Betrachten, wobei nicht nur die Pinselführung, die sowohl auf- als auch abträgt, auffällt, sondern auch die Brüche in der Schilderung von Zeitlichkeit.
Der Titel der Ausstellung – Light Shining Darkly – spielt mit dem Spannungsgefüge, das zwischen den Bedeutungen von hell, dunkel, mystisch, übernatürlich oder unheimlich laviert. Die Landschaftsausschnitte, in denen die einzelnen Protagonisten wirken, sind meist durch besondere Lichtstimmungen charakterisiert. Mal gibt eine Nachtlandschaft mit einfallendem, diffusem Lichtkegel den Blick auf Spaziergänger frei, mal stehen Menschen vor einem Felsabhang oder es spielen sich unerklärliche Szenen im tiefsten Nachtwald ab. Immer wieder ist es der spezifische Einsatz der Lichtinszenierung, welcher den Bildmotiven bereits auf den ersten Blick einen Twist hin zum Unheimlichen gibt. Die Art und Weise, wie der Mensch in der Landschaft verortet ist, gibt Anknüpfungspunkte für die Philosophie des Erhabenen, in welcher sich der Mensch angesichts der Unerreichbarkeit und Grösse der Natur klein und überwältigt fühlt.
Die motivischen Diskrepanzen, die Hell-Dunkel-Dramaturgie der Bilder und das Auseinanderfallen von Zeitlichkeiten lassen Spielraum für eine eigene individuelle Erzählung. Christopher Orr ist sozusagen der Regisseur für unsere Filme im Kopf.
*Sabine Schaschl war bis April 2013 Direktorin des Kunsthaus Baselland und Kuratorin der Ausstellung. Ab Mai übernimmt sie die Direktion des Museums Haus Konstruktiv in Zürich.