Christoph Oertli, Sensing Bodies, 2020 (still)

Marlene McCarty | Stefan Karrer Christoph Oertli

Kunsthaus Baselland | bis 05.07.2020

Geht es Ihnen auch so? Das Zeitgefühl scheint uns in diesem Jahr ein wenig abhandengekommen zu sein – als hätte der Covid-19-Lock-down rund zwei Monate aus unseren Kalendern gestrichen. Verschiedentlich war zu hören, wie intensiv die Wochen der Schutzmassnahmen genutzt wurden. Ein Wort, das trotz den vielen negativen, traurigen und auch schockierenden Berichten immer wieder auftauchte, war Entschleunigung. Denn prägend für die Phase des Lockdowns war, dass die Welt grundsätzlich anders war im Vergleich zur Normalität. Konfrontiert mit den geschlossenen Türen der Museen, Theater, Kinos und vielen weiteren kulturellen Einrichtungen wurde so manchem aber auch deutlich, wie wichtig Kunst und Kultur für unser geistiges Wohlergehen sind – sie sind uns geistige Nahrung und Inspirationsquelle und nicht durch anderes zu ersetzen. 

Wie viel sich in den Wochen im Kunsthaus Baselland verändert hat, wird nicht nur durch die inzwischen wuchernde Natur der Earthworks rund um die Zeichnungen von Marlene McCarty deutlich, sondern auch beim erneuten Blick auf die Filmarbeiten von Christoph Oertli, die – wenngleich weit vor Covid-19 entstanden – nun nicht mehr mit dem gleichen Blick gelesen und gedeutet werden wie noch bei der Ausstellungseröffnung zu Jahresbeginn. Und auch die meist webbasierten Arbeiten von Stefan Karrer haben nun, nach Wochen des ausgedehnten Eintretens in die Möglichkeiten der Digitalisierung eine neue Brisanz erhalten. Wir haben uns verändert. Und noch etwas zeigte sich in jenen Wochen der Ausnahmesituation. Sie haben uns gelehrt, wie schmerzlich es ist, zueinander auf Distanz gehen und auf ein gemeinschaftliches Erleben und Erfahren verzichten zu müssen. Die physische Dis-tanz birgt auch die soziale. Im Moment des Verfassens dieses Textes gehen weltweit Menschen auf die Strasse gegen Rassismus, für mehr Gerechtigkeit und Menschlichkeit in der Gesellschaft ihrer Länder. Der Begriff des Atmens (Breathing) beziehungsweise des Nicht-mehr-atmen-Könnens vereint schmerzlich in einem Wort die grossen globalen Krisen unserer Zeit. Wie gehen wir miteinander um, wie solidarisch sind wir? Wie helfen und achten – oder missachten – wir einander, wie zollen wir uns Respekt und lassen Humanität walten? 

Kunst kann all diese Fragen nicht beantworten, aber sie vermag unseren Blick zu differenzieren und zu schärfen, uns in unserer Kreativität, unserer Beweglichkeit und damit unserem Menschsein zu stärken. Wir müssen uns einbringen. Daher ist eine Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur wichtiger denn je, um dieses Vermögen zu stärken. Die Türen der Museen und Kultureinrichtungen stehen (wieder) offen!

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