Im vergangenen November hat die Kunsthalle Basel bekanntgegeben, dass der in Genf lebende Kurator und Künstler Mohamed Almusibli ab März 2024 die Direktion des Hauses von Elena Filipovic übernehmen wird. Zusammen mit zwei Partner:innen hat der 33-Jährige in Genf den temporären Projektraum «Cherish» betrieben, der im 2023 seine Türen schloss. Artinside hat den designierten Direktor in Genf zu einem Gespräch getroffen.
Mohamed Almusibli, wie müssen wir uns Ihre Arbeit im ehemaligen Projektraum «Cherish» vorstellen?
Mohamed Almusibli: In den Räumen dieses Hauses haben wir sowohl gewohnt als auch Ausstellungen konzipiert. Die Ausstellungsatmosphäre war dadurch eine ganz Spezifische. Wir haben die Werke nicht ausgewählt, damit sie in die Institution passen, sondern umgekehrt: Es ging uns bei «Cherish» immer darum, eine Plattform für die Künstler:innen zu schaffen. Wir haben uns gefragt: Wird die Plattform dem Universum und der Kunst dieser spezifischen Person gerecht? Wie können wir deren Werk einem grösseren Publikum näherbringen? Kuratieren ist für mich deshalb mehr als «nur» eine Ausstellung machen. Die Zusammenarbeit spielt eine zentrale Rolle. Viele der gezeigten Künstler:innen haben auch hier gewohnt und mit uns zusammen die Ausstellungen entwickelt. Damit haben wir ihnen eine Alternative zu den herkömmlichen Ausstellungmethoden geboten.
Warum wurde der Kunstraum geschlossen?
«Cherish» war von Anfang an als Zwischennutzung konzipiert, dieses Art-déco-Haus wird bald einem Neubau weichen. Meine Partner:innen konzentrieren sich nun vermehrt auf ihre eigenen künstlerischen Projekte. Und mir steht mit der Berufung nach Basel eine grosse Veränderung bevor. In diesem Sinn ist es der perfekte Zeitpunkt für uns alle, um etwas Neues zu beginnen.
Hier im «Cherish» haben Sie zwei Räume in einem Wohnhaus bespielt – welche Rolle spielen Offspaces für Sie?
Ich komme aus einer Tradition von Offspaces und Projekträumen. Sie sind essenziell für ein Kunstsystem. In Genf habe ich ein bisschen gelitten, weil ich hier eine klare Trennung der Systeme spüre – die Kunstszene ist segmentiert, und es gibt kaum Durchmischung. Ich erhoffe mir in Basel eine grössere Dynamik. Basel hat eine grossartige alternative Kunstszene und ein vielfältiges, diverses Angebot. Es gibt die Studierenden der Kunstschule, viele Offspaces, aber auch die Universität, Galerien und natürlich die vielen Museen der Kunststadt Basel.
Ihr Interesse an der Kunst ist sehr breit – wo finden Sie Ihre
Inspiration?
Von Menschen! Ich bin in meinem Leben viel gereist und umgezogen und habe dadurch sehr unterschiedliche Charaktere kennengelernt. Das hat sicher viel dazu beigetragen, dass ich ganz allgemein ein Interesse an Menschen habe. Ihre Geschichten faszinieren und inspirieren mich. Ich mag zum Beispiel die Art und Weise, wie Leute sich kleiden, manchmal sind es ganz kleine Gesten oder Dinge, die mich fesseln.
Der Schweizer Kurator Mohamed Almusibli wurde 1990 geboren und ist in Genf aufgewachsen. 2018 schloss er sein Bachelorstudium in Kunst- und Medientheorie an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ab und absolvierte anschliessend ein Masterstudium an der Hochschule für Kunst und Design (HEAD) in Genf. Parallel dazu arbeitete er in beiden Städten sowohl als Künstler als auch Kurator. 2019 hat er den Kiefer Hablitzel | Göhner Kunstpreis für seine Arbeit «In Tones with a Voiceless Song» gewonnen. Er ist als Berater der Hartwig Art Foundation in Amsterdam tätig und kuratiert seit 2022 für die Onlinepräsenz der Liste Art Fair Basel Soundarbeiten in Zusammenarbeit mit den Künstler:innen Hannah Weinberger und Tobias Koch.
Verraten Sie uns, mit welchem Konzept Sie sich bei der Kunsthalle Basel beworben haben?
Mein Ziel ist es, die Institution als Gastgeberin zu etablieren, als Ort, an dem man sich wohlfühlt. «The institution as a host», wie man auf Englisch sagt. Ich möchte meine Ausstellungen zusammen mit den Künstler:innen entwickeln, um damit das Basler Publikum, aber natürlich auch internationale Gäste abzuholen.
Mein kuratorisches Vorgehen lässt sich nicht mit einer akademischen Ausstellungspraxis vergleichen, bei der jemand eine These im Kopf hat und mit der Ausstellung diesen Standpunkt möglichst gut präsentieren möchte. Ich habe nichts gegen eine solche Vorgehensweise – aber mich interessiert das nicht. Autorschaft im herkömmlichen Sinn ist nicht das, was ich suche.
Ich arbeite mehr mit Gefühlen, wenn ich das so sagen darf. Es geht mir darum, eine Atmosphäre zu erzeugen, in der sich die Leute willkommen fühlen. Ich möchte damit die Distanz abbauen zu dem, was das Publikum zu sehen bekommt. Denn noch immer finden viele Menschen keinen Zugang zur zeitgenössischen Kunst – ganz einfach weil sie denken, sie verstehen sie nicht. Manchmal ist gerade die Art und Weise, wie etwas präsentiert wird, das Hindernis und damit der Grund, warum die Kunst nicht verstanden wird.
Haben Sie vor, die lokale Kunstszene in Ihre Arbeit einzube-
ziehen?
Unbedingt! Es ist mir ein Anliegen, diesen Diskurs anzuschieben und die Positionen der lokalen Kunstszene in einen internationalen Kontext zu setzen. Ich bin daran, mich mit der Basler Kultur-
szene vertraut zu machen, aber noch ist dies eine Aussenseiterper-
spektive. Ich freue mich darauf, bald nach Basel zu ziehen und diese Beziehungen zu vertiefen.
Wie wichtig sind Kollaborationen für Ihre Arbeit?
Ich bin an neuen Praktiken interessiert. Ich mag keine strengen Regeln, die vorgeben, wie etwas getan werden sollte. Ich ziehe es vor zu recherchieren, wie ich den Menschen am besten nahekommen kann. Junge aufstrebende Künstler:innen auf kluge Art und Weise mit historischen Positionen zu verbinden. Oder umgekehrt: Etablierte Positionen mit dem heutigen Diskurs verknüpfen – das interessiert mich. Rund um eine Ausstellung kommen so viel Wissen und Fähigkeiten von unterschiedlichsten Menschen zusammen. Der ganze Prozess des Ausstellungsaufbaus ist sehr interessant, hinter den Kulissen passieren oft die spannendsten und auch lustigsten Dinge. Diese Geschichten möchte ich mit dem Publikum teilen. Ich denke, ich bin ein sehr guter Beobachter und kann diese verschiedenen Ebenen gut miteinander verknüpfen.
Wie bereiten Sie sich auf den neuen Job in Basel vor?
Ich möchte mich so rasch wie möglich mit der Struktur der Kunsthalle Basel vertraut machen. Am allerwichtigsten ist es mir, das Team besser kennenzulernen. Deshalb schaue ich schon jetzt immer wieder in der Kunsthalle vorbei und lerne die Leute vor Ort kennen. Weiter setze ich mich intensiv mit dem Thema Führung auseinander, denn im «Cherish»
waren wir ein sehr kleines Team. Ein grosser Unterschied zu dem, was ich jetzt mache, wird sicher das Tempo sein: In der Kunsthalle Basel stehen acht Ausstellungen pro Jahr auf dem Programm, das ist eine Herausforderung! Elena Filipovic unterstützt mich dabei grosszügig.
Was unterscheidet aus Ihrer Sicht die Kunsthalle Basel von anderen Institutionen?
Wie erwähnt machen wir im Unterschied zu einem Kunstmuseum Basel oder der Fondation Beyeler mit einem kleinen Team acht Ausstellungen pro Jahr, was ziemlich viel ist. Die Stärke der Kunsthalle Basel ist, dass sie sehr schnell auf Veränderungen reagieren kann. Sie kann sich verschiedenen Kontexten und Situationen anpassen. Diese Agilität unterscheidet sie möglicherweise von den anderen Institutionen, die etwas langfristiger planen müssen.
Was wird an Ihrer ersten Ausstellung in Basel zu sehen sein?
Das Programm für 2024 wurde bereits von Elena Filipovic zusammengestellt, und ich bin sehr zufrieden mit ihrer Wahl. Ich werde nun genügend Zeit haben, um mich mit der Kunsthalle Basel vertraut zu machen und die Menschen richtig kennenzulernen. Natürlich werde ich jetzt noch nicht verraten, was genau ich plane. Aber ich kann soviel sagen: Meine erste Ausstellung wird die Regionale Ende Jahr sein. Das macht mich glücklich, denn es bietet mir die Möglichkeit, die lokalen Kunstschaffenden kennenzulernen und ihre Ateliers zu besuchen. Das ist eine optimale Gelegenheit, um in die Kunstszene Basels einzutauchen. ◀
Interview Sibylle Meier und Matthias Geering