Niki & Jean, l’Art et l’Amour

Niki & Jean – l’Art et l’Amour
29.08. – 21.01.2007 | Museum Tinguely Basel

Das Museum Tinguely zeigt die erste Würdigung des gemeinsamen Lebens und Schaffens von Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle.

Von Andres Pardey*

Als sich Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely 1956 zum ersten Mal trafen, hatten sie völlig andere Lebenswege hinter sich gebracht. Sie war 25 Jahre alt und entstammte einer französischen Adelsfamilie. Zwar war diese ein wenig verarmt, sie konnte es sich aber doch leisten, die Tochter in amerikanische Privatschulen zu schicken und ihr einen angemessenen Start ins Leben zu ermöglichen. Niki war schön und entsprechend begehrt, nicht nur als Fotomodell auf den Titelseiten von Vogue und Life. Ihr erster Mann, Harry Mathews, stammte aus Boston, war Schriftsteller und wollte sich zum Dirigenten ausbilden lassen. Das Paar zog also nach Europa, nach Paris, wo er Musik studierte und sie Schauspielkurse nahm. Jean wurde 1925 in eine Arbeiterfamilie geboren, er absolvierte eine Lehre zum Schaufenster-Dekorateur und zog 1952 mit seiner Frau Eva Aeppli nach Paris, um dort als Künstler zu leben.
Die Wege von Niki und Jean kreuzten sich im Atelier am Impasse Ronsin, wo er mit Eva in äusserst bescheidenen Verhältnissen lebte. Sofort entfaltete sich eine Freundschaft zwischen den zwei Ehepaaren, und 1960 dann entstand die Liebe, die aus zweien der vier Verlassene (die sich allerdings schnell zu trösten verstanden) und aus den anderen Zwei das machte, was nun Gegenstand der Ausstellung im Museum Tinguely ist: Niki & Jean, Bonnie and Clyde in Art, das aufregendste, glamouröseste, schönste Paar der Kunstwelt. Tinguely hatte gerade seine Reliefs und die Zeichenmaschinen hinter sich gelassen, Niki hatte gemalt und Materialreliefs erfunden. Nun waren beide auch künstlerisch bereit für Neues, der Aufbruch war total.
Im Oktober 1960 wurde die Gruppe der Nouveaux Réalistes gegründet, von Pierre Restany, mit Yves Klein, Daniel Spoerri, Arman, César und – natürlich – auch mit Jean Tinguely und später mit Niki de Saint Phalle. Neue Realitäten galt es nun zu schaffen, Jean schuf Schrott­skulpturen, Niki schoss auf Reliefs und verteilte die Farbe mit dem Gewehr. Die Schiessbilder, die „Étude pour une fin du monde“ Nrn 1 und 2, die Theaterproduktionen mit Robert Rauschenberg, John Cage, David Tudor und anderen, sie sprechen von der Lust am Happening, an der Inszenierung, am Ephemeren. Kunst durfte nun auch vergänglich sein, wie das Material, aus dem die Kunst von Niki & Jean entstand, Abfall, Schrott, Plastik, Gips, Papier-Maché. Und mitten in der Inszenierung standen die zwei Hauptfiguren und spielten auf der Bühne der Kunstwelt das Stück, das sie so meisterhaft beherrschten: Das des Künstler-Liebespaares, das von der Schönen und vom Biest in der Kunst.
In atemlosem Tempo folgten bald grosse Ausstellungen, Aktionen und Aufträge: DYLABY, die Ausstellung im Stedelijk-Museum im Amsterdam, in der sechs Künstler eigene Kunstwelten schufen. «HON», die begehbare Frauenskulptur im Moderna Museet in Stockholm. Für den französischen Pavillon an der Weltausstellung in Montreal entstand «Le Paradis fantastique». In Jerusalem baute Niki den «Golem», in Knokke den «Dragon». Es entstanden Filme, das «Crocrodrome» im Centre Pompidou, die «Fontaine Stravinsky» in Paris. Und dann natürlich die zwei Mega-Projekte des Paares: «Le Cyclop», der ab 1969 im Wald von Milly-la-Forêt gebaut wurde, Jeans Riesenkopf, der ein Gesicht von Niki hat, und an dem viele weitere Künstlerfreunde der beiden wie Bernhard Luginbühl oder Daniel Spoerri mitbauten, und dann «Il Giardino dei Tarocchi», Nikis Tarotgarten, bei Garavicchio in der Toskana, wo Jean die Rolle des mittelalterlichen Bauhüttenchefs übernahm und Nikis Figuren ins zehn-, ja fünfzigfache vergrösserte. Zusammenarbeit, Kollaboration hiess auch, sich in den Dienst des anderen zu stellen, hiess, vollständig in die künstlerische Kraft des anderen zu vertrauen und ins technische Geschick. Was sich in den sechziger Jahren so glamourös inszenierte, war eine lebenslange künstlerische Kooperation, die sich durch eine absolute Treue und vollständiges Vertrauen auszeichnete. Oder – wie Jean es in späten Jahren ausdrückte: L‘avantgarde – c‘est la fidélité.

* Andres Pardey ist Kurator des Museum Tinguely

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