Paul Gauguin
08.02.2015 – 28.06.2015
Fondation Beyeler
Von Raphaël Bouvier*
Seine zukunftsweisenden Werke gehören zu den Ikonen der modernen Kunst, die mit ihren «reinen», leuchtenden Farben und flächigen Formen die Kunst revolutionierten und für die modernen Künstler der kommenden Generation massgeblich wurden. Kein Künstler vor Gauguin hatte so konsequent versucht, seine Suche nach Freiheit und Glück in Leben und Kunst zu verwirklichen. Hierin liegt auch der Grund für seine enorme Popularität, die bis heute anhält.Erst im Alter von 35 Jahren entschied Gauguin, sein Leben als Börsen- und Versicherungsmakler aufzugeben und professioneller Maler zu werden. Vom Bourgeois wurde Gauguin so zum Bohémien. In den folgenden rund zwanzig Jahren seines künstlerischen Schaffens entstand ein überaus reiches und vielseitiges Œuvre, das neben Gemälden und Skulpturen auch Zeichnungen, Druckgrafiken und Schriften umfasst.
Anhand von einzigartigen Meisterwerken aus den weltweit bedeutendsten Museen und Privatsammlungen konzentriert sich die Ausstellung in der Fondation Beyeler auf Gauguins reife Schaffenszeit, als der Künstler zu seinem eigenen Stil fand. Beginnend mit den richtungsweisenden Werken, die in der Bretagne entstanden sind, wird die Ausstellung mit jenen berühmten Bildern fortgesetzt, die in Polynesien – zuerst auf Tahiti und zuletzt auf den Marquesasinseln – geschaffen wurden. Vor allem sie sind es, die die formalen Neuerungen und den inhaltlichen Facettenreichtum von Gauguins ausdrucksstarker Bildsprache vor Augen führen. Während in den Mittelpunkt der Ausstellung Gauguins einzigartige Malerei gestellt ist, erhält auch seine von der tahitischen Maohi-Kultur inspirierte Skulptur einen wichtigen Platz und wird anhand von Schlüsselwerken im Dialog mit seinen berühmten Gemälden gezeigt. Dabei liegt der inhaltliche Akzent auf Gauguins neuartiger Behandlung von Figur und Landschaft, die in seiner Bildwelt ein harmonisches Zusammenspiel eingehen.
Die Ausstellung setzt mit Werken aus dem Jahr 1888 ein, als Gauguin während eines zweiten längeren Aufenthalts in der Bretagne seine unverkennbare künstlerische Bildsprache entwickelte. Die bretonische Landschaft und einfache Lebensweise entsprachen seinen Idealen eines natürlichen, urtümlichen Lebens; hier erschien es dem Künstler möglich, in einer neuen Freiheit leben und arbeiten zu können. In der Bretagne entstanden nicht nur idyllische Landschaftsgemälde, sondern auch visionäre Bilder mit spirituellen Themen, etwa sein frühes Hauptwerk Die Vision der Predigt, 1888, und vielschichtige Selbstporträts, die verschiedene Seiten von Gauguins Persönlichkeit zum Ausdruck bringen.
Auf seiner stetigen Suche nach dem Ursprünglichen verliess Gauguin 1891 Frankreich, um erstmals nach Tahiti auszuwandern, dem in seiner Vorstellung unberührten tropischen Paradies. Schon bald musste er allerdings feststellen, dass die einheimische Bevölkerung der Südseeinsel ihre kulturelle Identität durch die französische Kolonisation bereits weitgehend verloren hatte. Trotz dieser Ernüchterung entstanden in Tahiti zahlreiche Meisterwerke, in denen Gauguin seine Wunschvorstellung einer idealisierten Welt feiert, in der sich Natur und Kultur, Mystik und Erotik, Traum und Wirklichkeit vereinigen. Dazu zählt das Gemälde Wie! Du bist eifersüchtig? aus dem Jahr 1892.
Mittellos und gesundheitlich angeschlagen, sah sich Gauguin jedoch schon 1893 gezwungen, nach Frankreich zurückkehren. Dort schuf er neue Gemälde, etwa das Selbstporträt mit Palette, und Skulpturen, doch blieb der erhoffte kommerzielle Durchbruch weiterhin aus. Enttäuscht von diesem Misserfolg, brach Gauguin 1895 erneut nach Tahiti auf. Ungeachtet seines schlechten Gesundheitszustands, seiner grundlegenden Desillusionierung und verschiedener Schicksalsschläge entstanden auch während seines zweiten Südseeaufenthalts Bilder, welche den kulturellen Reichtum wie die Naturschönheit Polynesiens bis hin zur Verklärung feierten, und dabei höchste künstlerische Vollkommenheit errangen. In dieser Zeit entsteht auch das monumentale Gemälde Woher kommen wir? Was sind wir? Wohin gehen wir?, das als sein künstlerisches Vermächtnis gilt.
In der ungebrochenen Hoffnung auf ein authentisches Leben und auf neue Inspiration siedelte Gauguin 1901 auf die weit abgelegene Marquesasinsel Hiva Oa über. Dort malte der Künstler Frau mit Fächer und Barbarische Erzählungen, die beide 1902 entstanden und zu seinen letzten Meisterwerken gehören. Auf Hiva Oa starb er jedoch kurz darauf, 1903, krank und vereinsamt im Alter von nur 54 Jahren.
So wie sie zugleich strahlende Heiterkeit und düstere Melancholie in sich vereinen, sind Paul Gauguins Bilder anziehend und rätselhaft in einem. Auf faszinierende Weise erzählen sie von der Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies auf Erden, von einem dramatischen, rastlosen Künstlerleben auf Reisen zwischen den Kulturen, bestimmt von Lebenslust und Verzweiflung, Leidenschaft und Abenteuergeist. Im Zwiespalt zwischen einer erträumten Utopie und der harten Realität scheiterte Gauguin zwar, doch liessen ihn die Einzigartigkeit seiner Kunst und die Kompromisslosigkeit seines Lebens zu einem Mythos werden.
*Raphael Bouvier ist Kurator der Fondation Beyeler