Paul Klee
01.10.2017 – 21.01.2018
Fondation Beyeler
Von Anna Szech
Zu ihrem 20-jährigen Bestehen widmet die Fondation Beyeler ihre grosse Herbstausstellung Paul Klee (geb. 1879 Münchenbuchsee bei Bern – gest. 1940 Locarno-Muralto). Neben Pablo Picasso ist Klee der Künstler, der mit den meisten Werken in der Sammlung vertreten ist. Als Sammler und Galerist engagierte sich der Museumsgründer Ernst Beyeler auf vielfältigste Art und Weise für Paul Klees Schaffen. Beyelers Sammlungspassion galt hauptsächlich dem Spätwerk des Künstlers, das er «wegen der farblichen Qualität und der Ausdrucksstärke» besonders schätzte. Im Laufe der Jahre ist es Beyeler gelungen, eine hochkarätige Sammlung zusammenzutragen, zu deren Schlüsselwerken Gemälde wie aufgehender Stern, 1931, 230, Zeichen in Gelb, 1937, 210, Wald-Hexen, 1938, 145, und Ohne Titel (Gefangen, Diesseits-Jenseits), um 1940, zählen.
Die kommende Ausstellung beleuchtet einen bis jetzt noch wenig untersuchten Aspekt in Paul Klees Schaffen – die Abstraktion. Die Abstraktion ist eine der zentralen Errungenschaften der modernen Malerei. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Abkehr vom Gegenständlichen und die Entwicklung abstrakter Bildwelten zu einem Hauptthema für viele europäische Künstler. Protagonisten der klassischen Moderne wie Pablo Picasso, Wassily Kandinsky, Robert Delaunay, Kasimir Malewitsch oder Piet Mondrian boten künstlerische Lösungen für die Frage nach einer neuen malerischen Wirklichkeit an. Paul Klee zählt gemeinhin nicht zu den Künstlern, deren Name fällt, wenn von der Abstraktion in der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts die Rede ist – und das zu Unrecht. In Klees Œuvre lassen sich – vom Früh- bis zum Spätwerk – überaus spannende Beispiele für die Gestaltung abstrakter Bildwelten sowie für malerische Abstraktionsprozesse beobachten. Während seine Künstlerkollegen teils radikal mit dem Thema umgingen und mit ihren gegenstandslosen Werken das Publikum regelrecht abschreckten, versuchte Klee mit seinen abstrakten Bildern Brücken zu bauen. In vielen von seinen Schöpfungen bewahrt er gegenständliche Elemente oder eröffnet mit seinen Werktiteln Lese- und Interpretationsmöglichkeiten. Darin mag einer der Gründe für den grossen Erfolg dieses Künstlers liegen.
«Abstraktion. Die kühle Romantik dieses Stils ohne Pathos ist unerhört», notierte Klee 1915. Eine weitere Aussage zum Abstrakten in der Kunst aus demselben Jahr erscheint heute aktueller denn je und lässt sich auf die moderne Existenz schlechthin beziehen: «Je schreckensvoller diese Welt (wie gerade heute), desto abstrakter die Kunst, während eine glückliche Welt eine diesseitige Kunst hervorbringt.»
Die wichtigsten Aspekte in Klees abstrakten Werken sind in seinem ganzen Schaffen von massgeblicher Bedeutung: Natur, Architektur, Musik und Schriftzeichen. Es gelingt dem Künstler, mithilfe dieser für die europäische Malerei von Beginn an relevanten Reflexions- und Bezugsfelder die Essenz des Malerischen herauszuarbeiten. Die für seine eigene Kunst tragenden Elemente Linie und Farbe bieten sich dabei in einem ungeheuren Reichtum dar und offenbaren eine scheinbar endlose Vielfalt von Umsetzungsmöglichkeiten: Die farbenfrohe Abstraktion in den aquarellierten Ansichten zauberhafter Gärten in Hammamet, entstanden während der Tunisreise 1914, weicht den mit blitzartigen Motiven versehenen‚ «explosiven» Kompositionen der Gärten aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Die Farbfeldmalerei der Bauhaus-Zeit evoziert blühende Bäume, und die dunklen Zeichen auf den Gemälden der letzten Jahre erinnern an Pflanzen oder aber an Schriftzeichen. Architekturassoziationen der europäischen und arabischen Städte in den frühen Aquarellen werden in der Bauhaus-Zeit radikal auf die Grundelemente reduziert, um in den farbenprächtigen Streifenbildern von Anfang der 1930er-Jahre die Bauten des Alten Ägypten vor unseren Augen erscheinen zu lassen. Als leidenschaftlichem Musiker fiel es Klee leicht, rhythmisch abwechslungsreiche abstrakte Kompositionen zu schaffen. Musiktöne und Melodien lassen sich aus vielen Werken buchstäblich «heraushören»: in Fuge in rot, 1921, 69, Ouvertüre, 1922, 142, oder Klang der südlichen Flora, 1927, 227.
Die Ausstellung in der Fondation Beyeler rückt diesen bislang weitgehend unbeachtet gebliebenen Beitrag Klees in den Fokus. Sie belegt eindrucksvoll, dass dem Künstler auch ein ehrenvoller Platz in der Geschichte der abstrakten Malerei des 20. Jahrhunderts gebührt. Die Ausstellung mit retrospektivem Charakter umfasst rund 100 Werke aus allen Schaffensphasen, beginnend mit dem Jahr 1912 bis zu seinem Todesjahr 1940. Die in chronologischer Reihenfolge präsentierten Werke gewähren Einblicke in die entscheidenden Etappen von Klees künstlerischer Entwicklung: Das reicht vom künstlerisch produktiven Dialog der 1910er-Jahre mit Zeitgenossen in Paris und München über die berühmte Tunisreise von 1914, den Dienst als Soldat im Ersten Weltkrieg und das Bauhaus-Jahrzehnt von 1921 bis 1931, bis hin zu den Reisen nach Ägypten und Italien in den späten 1920er-Jahren und gipfelt im Spätwerk der 1930er-Jahre.