Prägende Künstlerfreundschaften

Renoir. Zwischen Bohème und Bourgeoisie
Die frühen Jahre
01.04.2012 – 12.08.2012
Kunstmuseum Basel

von Stefanie Manthey*
Das Kunstmuseum Basel richtet in seiner Sonderausstellung seit dem 1. April den Fokus auf das überraschend vielschichtige Werk der frühen Jahre Pierre-Auguste Renoirs. Einen Höhepunkt der Ausstellung bilden Gemälde, für die ihm Lise Tréhot Modell stand. In diesen tritt sie in unterschiedlichsten Rollen und Bildgenres auf: Beispielsweise als modisch gekleidete Pariserin und bohemiennehaftes Landmädchen. Renoir und Lise verband ein von 1865 bis 1872 dauerndes Verhältnis, aus dem zwei illegitime Kinder hervorgingen. Diesem Thema sowie der Frage nach Renoirs Beitrag zu einer Malerei der «vie moderne» war der Artikel gewidmet, der in der Frühlingsausgabe des Artinside erschienen ist.
Von besonderer Bedeutung für Renoirs Entwicklung während seiner künstlerisch entscheidenden Jahre war sein soziales Umfeld: Dazu zählten Gönner wie die traditionsreiche, kunstsinnige Familie Le Cœur und enge Künstlerfreundschaften, die ihn mit etwa gleichaltrigen Kollegen wie Alfred Sisley, Claude Monet und Frédéric Bazille verbanden. Gemälde, in denen diese Personen ihren Auftritt haben, bilden in der Ausstellung eine eigene, zentrale Gruppe. Dem Verhältnis zwischen Renoirs sozialem Umfeld und den Bildern, zu denen es ihn anregte, ist der vorliegende Beitrag gewidmet.

Im November 1861 trat Renoir in das Atelier des Schweizer Malers Charles Gleyre ein. Hier traf der gelernte, aus einer Handwerkerfamilie stammende Porzellanmaler erstmals auf Jules Le Cœur, Sisley, Monet und Bazille: junge Männer aus wohlhabendem Elternhaus, die sich entgegen der Familientradition dafür entschieden hatten, Maler zu werden. Le Cœur mietete in Marlotte, einem unweit von Paris im Wald von Fontainebleau gelegenen Ort, ein Haus. Von hier aus brachen die Künstlerkollegen ins Umland auf und experimentierten wie Camille Corot und François Daubigny, beide bekannte Maler der Vorgängergeneration, mit Landschaftsdarstellungen. Sie strebten danach, die Jury des Pariser Salons zu überzeugen und Gemälde bei dieser Grossausstellung zeigen zu können. Parallel dazu bemühte sich Renoir um Porträtaufträge und empfahl sich damit als Maler von Bildnissen. 1864 porträtierte er William Sisley, den Vater seines Künstlerfreundes Alfred Sisley. In unmittelbarer Folge malte Renoir Sisley junior: Er zeigt den Sohn als Inbegriff des Dandys mit einer locker um den Hals geschlungenen «cravate». Diese entspricht dem sprichwörtlichen Code der Eleganz, der von dem Ur-Dandy Beau Brummell geprägt wurde. Renoir imitiert mit Pinsel und Farbe den lässigen Fall der «cravate» in der pointenreichen Mühelosigkeit, die jeder Dandy anstrebt: Im Effekt muss der Knoten so wirken, als ob er in grösster Hast geschlungen wurde.

Unter Renoirs Künstlerfreunden nehmen Bazille und Monet eine Sonderstellung ein. Mit Bazille verband ihn bis zu dessen frühzeitigem Tod im Deutsch-Französischen Krieg die grösste Nähe. Ende der 1860er-Jahre nutzten sie gemeinsam die in Paris von Bazille gemieteten Räume. Renoirs Verhältnis zu Monet war nicht konstant, dafür aber phasenweise künstlerisch umso intensiver. 1869 malten sie erstmals Seite an Seite in der Nähe von Bougival, einer Gegend, die von der Pariser Bevölkerung wegen der Badeinsel, La Grenoullière, am Wochenende belagert wurde. Gemeinsam zählten sie zu den ersten, die den städtischen Badespass als Thema zeitgenössischer Malerei aufgriffen. Diese Praxis setzten sie Anfang der 1870er-Jahre fort, nachdem Monet zusammen mit seiner Frau Camille und ihrem Sohn Jean nach Argenteuil umgezogen war. Sie begaben sich in Monets Malboot und machten von dort aus dasselbe Motiv zum Thema ihrer Gemälde: im Fall von La Seine à Argenteuil (Les voiles)eine ufernahe Szene mit zwei Skippern, die sie zum Anlass nahmen, malerisch Reflexionen von Licht auf Segeltuch und fliessendem Gewässer einzufangen. In der Folge nahm Renoir den Künstlerkollegen aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick und wagte sich an eigenständige, kühnere Kompositionen, so zum Beispiel am 23. Juli 1874, einem Datum, das in die Geschichte des Impressionismus eingegangen ist. Demzufolge war Édouard Manet bei Monet zu Gast und damit beschäftigt, Camille Monet, ihren Sohn Jean und Monet im Garten zu malen, als Renoir eintraf. Die Situation erregte seine Aufmerksamkeit. Für Madame Monet et son fils übernahm er die Szenerie und wandelte sie in einem Detail gewitzt ab: Statt des Hausherrn als Gärtner drängt sich in Renoirs Komposition ein aufgeplusterter Hahn von rechts ins Bild. In der Folge soll Manet Monet aufgefordert haben, Renoir mitzuteilen, dass er es mit dem Malen sein lassen solle. Eine Anekdote, die durchblicken lässt, dass die Künstlerkollegen auch Konkurrenten waren.
Die Le Cœurs unterstützten Renoir während seiner frühen Jahre massgeblich. In ihnen fand er so etwas wie eine zweite Familie, bis es 1874 zum Bruch kam. Über Jules Le Cœur lernte Renoir dessen Bruder, den Architekten Charles Le Cœur kennen. Er vergab an Renoir Aufträge für Porträts von sich und seiner Familie und eröffnete ihm Kontakte zu Vertretern der Haute Bourgeoisie. 1871 inszenierte Renoir ihn in Portrait de Charles Le Cœur als zeitgenössisch gekleideten Mann im Sommeranzug und titulierte ihn in der Widmungsadresse als «galanten Gärtner». In einem Brief vom 1. März 1871 berichtete Renoir Charles Le Cœur von seinem Zusammenbruch während seines Militäreinsatzes im Deutsch-Französischen Krieg und drückte seine Sehnsucht nach einem Wiedersehen aus. «Ami Renoir», so die Grussformel, mit der er sich aus dem Brief verabschiedet. In seinem an den Gönner adressierten Gemälde hebt er den Austausch auf eine metaphorische Ebene, übersetzt die Tradition lobender Anerkennung in eine zeitgenössische Poesie der Gabe.
* Stefanie Manthey ist als Wissenschaftliche Assistentin an Ausstellung und Katalog sowie dem Begleitprogramm beteiligt.

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