Westöstliche Begegnung in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts
Kunstmuseum Basel | 31.10.2020 – 14.02.2021
Rembrandt Harmensz. van Rijns Neugierde auf alles Fremde und sein unstillbarer Appetit als Sammler waren schon zu seinen Lebzeiten legendär. Als Künstler, Sammler und Bürger kam er mit Kunstwerken, Gebrauchsgegenständen und Menschen aus allen Teilen der damals bekannten Welt in Kontakt und liess sich davon in seinem Schaffen inspirieren. Die Herbstausstellung
Rembrandts Orient im Kunstmuseum Basel | Neubau geht dieser
Ideenwelt anhand einer Auswahl von Werken des Niederländers und seiner Künstlerkollegen nach.
Turban und Teppich, Säbel und Seidenrock – immer wieder haben Rembrandt (1606–1669) und seine Zeitgenossen Gegenstände aus fernen Ländern gemalt. Ihre Kunstwerke sind Zeugnisse der ersten Globalisierung und zeigen den Einfluss fremder Kulturen in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Wissensdurst, Sammellust und Besitzerstolz haben diese kunstgeschichtlich bedeutende Epoche geprägt und die Maler zu neuartigen Historienszenen, Porträts und Stillleben inspiriert. Wie uns heute auffällt, wurde die Kehrseite dieser Welt-
aneignung allerdings nicht dargestellt: das Machtgefälle zwischen den Kulturen, das sich auch in Sklaverei, Gewalt, Ausbeutung und Handelskriegen zeigte.
Die Ausstellung Rembrandts Orient thematisiert anhand von rund 120 Werken, wozu neben Gemälden auch zahlreiche Druckgrafiken, Zeichnungen, Miniaturmalereien, Karten und Bücher zählen, indes bewusst die damaligen Bilder des Fremden. Mit dem Konzept eines Morgen- und eines Abendlandes beschrieben die Menschen in der Antike die Weltgegenden. Der Osten wurde in Rembrandts Zeit «Orient» genannt. Im 19. und 20. Jahrhundert entstand mit dem Orientalismus eine eurozentrische Haltung, die einen Autoritätsanspruch gegenüber den Ländern des Nahen Ostens und der arabischen Welt erhob. Auch der Begriff «Orient» wird dementsprechend heute diskutiert. Die Ausstellung im Kunstmuseum Basel signalisiert mit ihrem Titel Rembrandts Orient. Westöstliche Begegnungen in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts, dass es um die damals mit diesem Begriff verbundenen Vorstellungen geht.
Die Ausstellung stützt sich auf eine breite Basis neuerer Forschungsergebnisse und Ausstellungen zum Thema des kulturellen Austauschs zwischen Ost und West in der frühen Neuzeit. Eine wichtige Quelle findet sich in der Sammlung des Kunstmuseums Basel selbst: Mit dem 1627 entstandenen Gemälde David übergibt Goliaths Haupt dem König Saul besitzt es selbst ein frühes und bedeutendes Zeugnis von Rembrandts Auseinandersetzung mit dem Ausstellungsthema. Zudem verfügt das Kupferstichkabinett über einen qualitativ wie quantitativ herausragenden Bestand an Rembrandts druckgrafischem Werk.
Für jemanden, der sein Heimatland anscheinend niemals verlassen hat, verfügte Rembrandt über einen erstaunlich grenzenlosen Horizont. Hierfür bot Amsterdam, sein Lebensmittelpunkt, ideale Voraussetzungen: war die Stadt doch Sitz und Heimathafen der Niederländischen Ost- und Westindienkompanien, die den Fernhandel nach Asien, Afrika und Amerika kontrollierten und dort ausgedehnte Kolonien besassen. Weitere Handelsgesellschaften mit Verbindungen nach Russland, ins Baltikum, zum Mittelmeer und in die Levante trugen dazu bei, dass Amsterdam im 17. Jahrhundert einen der wichtigsten kulturellen Schmelz-
tiegel Europas darstellte. Botschafter, Gesandte und Handelsreisende aus fernen Gegenden besuchten die Niederländische Republik, und ihr Anblick gehörte dort zum Alltag.
All dies war Wasser auf die Mühlen der zahlreichen in der Stadt tätigen Künstler und in besonderem Masse für Rembrandt. Rembrandts Orient konzentriert sich auf einen der ergiebigsten und folgenreichsten Aspekte dieser spezifischen Konstellation von Berührungen verschiedener Kulturen und daraus resultierenden Impulsen. Der Orient – verstanden als nicht eindeutig definierter geografischer Sammelbegriff für diverse aussereuropäische Kulturen des Ostens – regte Rembrandts Fantasie während seines gesamten künstlerischen Lebens an. Für ihn war der Orient weit mehr als nur eine beliebige Quelle visueller Motive unter vielen; er befeuerte nicht nur seine Vorstellung von den Schauplätzen biblischer Historien, einem seiner bevorzugten Genres. In Selbstbildnissen zeigte sich der Künstler mehrfach in exotischer
Kostümierung. Seine Kopien nach am Hof der Grossmoguln entstandenen Miniaturen bilden eine noch nie dagewesene Anerkennung asiatischer Kunst durch einen holländischen Künstler, und schliesslich war er ein regelmässiger Käufer von japanischem Papier, das er gerne für seine Radierungen verwendete.
Die Ausstellung beschränkt sich jedoch nicht auf Rembrandts Œuvre. Neben vielen Werken seiner Künstlerkollegen und Schüler werden auch Publikationen und sonstige Quellen zum damaligen Verständnis des Orients gezeigt. Durch diesen breiteren Kontext kann anschaulich gemacht werden, was an Rembrandts Verhältnis zum Osten einerseits zeittypisch war und worin sich andererseits seine besondere Einstellung zu diesem Kulturraum von derjenigen seiner Zeitgenossen unterschied. ◀