Museum Tinguely
Roger Ballen. Call of the Void
(Danse macabre No. VII)
19.04.2023 – 29.10.2023
Roger Ballen über sein Werk
„Meine Ausstellung, der ich bewusst den Titel Call of the Void (Ruf der Leere) gegeben habe, ist ein Versuch, sich mit den meiner Meinung nach zentralen Fragen der menschlichen Existenz auseinanderzusetzen: Woher kommen wir? Weshalb sind wir hier? Und wohin gehen wir, wenn wir sterben? Ich habe zwar keineswegs den Anspruch, mit Antworten oder auch nur Fragen auf diese tiefgreifenden und schwierigen Themen dienen zu können. Ich hoffe aber, dass meine Ausstellung die Wahrnehmung des Betrachtenden herausfordern und somit einen Prozess der Selbsterkundung in Gang setzen wird, der mit einer Hinterfragung des Selbstverständnisses verbunden ist.
Wenn man sich dem Unterstand in der Mitte des Ausstellungsraums nähert, ist man von Schwarz-Weiss-Fotografien umgeben, die ich meinen Foto-Serien Asylum of the Birds (Asyl der Vögel) und Roger’s Rats (Rogers Ratten) entnommen habe. Einfach ausgedrückt, haben Ratten und Vögel im Laufe der Menschheitsgeschichte Gut und Böse, Dunkelheit und Licht symbolisiert. Vögel verbinden den Himmel mit der Erde, und Ratten werden zu Unrecht mit Schmutz, Krankheit und Dunkelheit in Verbindung gebracht. Jede Tierart bringt ihre eigene Mythologie mit sich, und wenn man diese in eine Fotografie einfliessen lässt, bietet sie unbegrenzte Möglichkeiten, tiefere Bedeutungen zu schaffen, die für die menschliche Existenz von Bedeutung sind.
Das Zentrum der Ausstellung wird von einer Konstruktion mit einer geheimnisvollen Tür beherrscht. Wenn man diesen Raum betritt, werden die zweidimensionalen Fotografien zu einer dreidimensionalen Welt erweitert. Die abgenutzten, brüchigen und rohen Wände des Innenraums offenbaren ein Theater des «Ballenesken», in dem die menschlichen Figuren Absurdität, Komödie und Tragödie darstellen. Ist man erst einmal eingetreten, wird man mit äusserst eindrucksvollen Abbildungen, Klängen und Objekten konfrontiert, die den Betrachtenden zwingen, sich seiner eigenen Leere zu stellen.“
Der 1950 in den USA geborene, in Johannesburg (Südafrika) lebende Roger Ballen ist einer der wichtigsten Fotografen seiner Generation. Er hat international über 25 Bücher veröffentlicht, seine Fotografien sind in den Sammlungen der bedeutendsten Museen der Welt vertreten. Sein künstlerisches Schaffen, das sich über fünf Jahrzehnte erstreckt, begann im Bereich der Dokumentarfotografie, entwickelte sich jedoch zu einer unverwechselbaren fiktionalen Welt, die auch die Medien Film, Installation, Theater, Skulptur, Malerei und Zeichnung umfasst. Ballen beschreibt seine Werke als «existenzielle Psychodramen», die das Unterbewusstsein ansprechen und die Schattenseiten der menschlichen Existenz aufzeigen. Sie zielen darauf ab, die verdrängten Gedanken und Gefühle an die Oberfläche zu bringen, indem sie den Betrachtenden mit Themen wie Chaos und Ordnung, Wahnsinn oder unkontrollierte Zustände des Seins, die Beziehung des Menschen zur Tierwelt, Leben und Tod, universelle Archetypen der Psyche und Erfahrungen des Andersseins konfrontieren. Mit seiner einzigartigen, komplexen Bildsprache und seinen universellen und tiefgründigen Themen hat der Künstler einen nachhaltigen Beitrag zur Kunst geschaffen.