Sam Lewitt, Installationsansicht More Heat Than Light, Blick auf Weak Local Lineament (MHTL), 2016, Kunsthalle Basel, 2016. Foto: Philipp Hänger

Sam Lewitt: Wärme statt Licht – sinnlich erlebbar.

Sam Lewitt
More Heat Than Light
01.04.2016 – 29.05.2016
Kunsthalle Basel

Von Sibylle Meier, Basel

Was machen wir hier eigentlich? Mit dieser Frage begrüsst Elena Filipovic, die Leiterin der Kunsthalle Basel, die Journalisten zur Medienkonferenz der neuen Soloshow More Heat Than Light. Wer die Kunsthalle Basel regelmässig besucht, der ahnt die Antwort: Filipovic möchte die Diskussion anregen, indem sie „ihre“ Institution performativ bespielt, sie verändert und dadurch neue Perspektiven eröffnet.

Sam Lewitt, Weak Local Lineament (MHTL), 2016, detail, Kunsthalle Basel, 2016. Foto: Philipp Hänger
Sam Lewitt, Weak Local Lineament (MHTL), 2016, detail, Kunsthalle Basel, 2016. Foto: Philipp Hänger

Mit dem kalifornische Künstler Sam Lewitt gelingt ihr das hervorragend, denn Lewitt denkt über Institutionen nach. Seine aktuelle Ausstellung setzt eine Bedeutungsebene frei, die über die ästhetische Wahrnehmung hinaus auf die soziale und gesellschaftliche Bedeutung einer Kunsthalle hinweist. Lewitt arbeitet nicht gegen die Institution. Er möchte sie aber stören, indem er in das „System Kunsthalle“ eingreift.

Ein wichtiger Teil dieses Systems ist die Beleuchtungstechnik. Um Kunst ins beste Licht zu rücken, ist eine ausgeklügelte technische Infrastruktur notwendig. Hier setzt Lewitt sein subtiles Werk an: Er zweigt kurzerhand die gesamte Beleuchtungsenergie ab und wandelt sie in Wärme um. Er beschneidet einen Teil der Kunsthallen-Infrastruktur und lässt die umgeleitete Energie fühlbar werden. Damit rückt er die Institution selbst ins Zentrum der Wahrnehmung.

Für More Heat Than Light hat Sam Lewitt im Oberlichtsaal die Beleuchtungskörper entfernen lassen. Durch lange, von der Decke hängende Kabel fliesst der Strom nun in hauchdünne, auf dem Boden liegende Heizkreisläufe. Die abgegebene Wärme entspricht also genau der Menge Energie, welche die Kunsthalle sonst in ihre Beleuchtungs-Infrastruktur steckt. Aber anstatt die Energie zu nutzen um die Kunst zu beleuchten, hat sie Lewitt der Institution geraubt, um damit sein Werk zu versorgen. Wärme statt Licht – sinnlich erlebbar.

 

Sam Lewitt, Installationsansicht More Heat Than Light, Blick auf A Weak Local Lexicon (MHTL), 2016, Kunsthalle Basel, 2016. Foto: Philipp Hänger. Courtesy Sam Lewitt und Pilar Corrias Gallery, London
Sam Lewitt, Installationsansicht More Heat Than Light, Blick auf A Weak Local Lexicon (MHTL), 2016, Kunsthalle Basel, 2016. Foto: Philipp Hänger. Courtesy Sam Lewitt und Pilar Corrias Gallery, London

Lewitt gefällt die Vorstellung, dass seine Werke den Ort prägen können. Aber damit nicht genug. Lewitt setzt sich mit der Frage auseinander, wie Informationsflüsse, aber auch Kapitalflüsse verlaufen. Wer die grafisch gestalteten Heizelemente genau studiert, der findet dezent eingraviert Schlagworte wie „get connected“ (verbindet euch), „custom profiling“ (individuelle Profilierung) und andere mehr. Es sind dies Leitsätze aus unserer globalisierten, standardisierten und kapitalistischen Welt im 21. Jahrhundert. Mit ihrer Hilfe sollen unsere Systeme am Laufen, aber auch im Gleichgewicht gehalten werden. Systeme, die möglicherweise in einem unsichtbaren, prekären Gleichgewicht sind. Sie müssen cool bleiben, damit sie nicht überhitzen. Das ist es, was Lewitt interessiert. Nicht von ungefähr hat er sich deshalb für seine Heizelemente einer Technik bedient, die im Alltag dafür sorgt, dass die Temperaturregulierung in Systemen im Gleichgewicht bleibt.

Dass ein wirtschaftliches Gleichgewicht kippen kann, erleben wir immer wieder. Derzeit sind es die Panama-Papers, die ein Geldwäsche-System ins Wanken bringen. Vor ein paar Monaten war es der VW-Abgas-Skandal, der die Welt in Atem hielt. Lewitt spielt in seiner Ausstellung bewusst auf diesen Skandal an, indem er seine Heizbänder über Motorblöcke von VW legt. Damit möchte er auf die scheinbare reibungslose, aber eben doch nicht wasserdichte Kommunikation eines Konzernriesen hinweisen. Die Blöcke stehen ein bisschen schräg in dieser an sich stringenten Ausstellung. Der direkte Zusammenhang mit dem Konzept der Energieumleitung scheint ein bisschen weit her geholt. Vielleicht ist die Erwähnung eines solchen Skandals in der Soloshow marketingtechnisch gewinnbringender, als es für die Ausstellung an sich nötig gewesen wäre.

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