Emanuel Christ vom Architekturbüro Christ & Gantenbein gibt an der Pressekonferenz zum Erweiterungsbau des Kunstmuseum Basel Einblick in die Gedanken, die sich das Architektenduo zum Neubau gemacht haben.
Von Sibylle Meier, Basel
Das Grundstück des Burghof, welches vis-a-vis des Hauptbaus liegt, hat von Anfang an die Frage aufgeworfen, in welcher räumlich, funktionalen und architektonischen Beziehung der Neubau zum Hauptbau zu stehen kommen sollte. Dabei war eine Massgabe von zentraler Bedeutung: Beim Kunstmuseum Basel handelt es sich um ein Museum, welches aus zwei Häusern besteht. Hauptbau und Neubau sollten ein Paar bilden und eine gemeinsame Erscheinung im Stadtraum bilden. Die Idee war, dass der Neubau mit Respekt und Interesse für das, was schon da ist, entworfen werden sollte. Alt und Neu treten also in einen Dialog auf Augenhöhe, sogar die Traufen der beiden Häuser sind gleich hoch. Die räumliche und funktionale Verbindung der zwei Häuser vermittelt einerseits Kontinuität, sie erzählt aber auch eine neue Geschichte. Der Neubau ist ein Bekenntnis zu Kunst, urbaner Kultur und wirkt selbstbewusst und zurückhaltend zugleich. Er ist zeitgemäss und zukunftsorientiert.
Die Fassade
Eine wichtige Funktion übernimmt dabei die einspringende Fassade, die dem Neubau ein Gesicht verleiht. Mit diesem Knick markiert der Bau den städtischen Charakter der Architektur und verleiht dem Gebäude den nötigen öffentlichen Charakter. Der so entstandene Raum zwischen den beiden Häusern vermittelt Offenheit. Diese Offenheit kommt auch durch die grossen Fenster in der Fassade zur Geltung, die das Innen mit dem Aussen verbindet und den direkten Blickkontakt vom einen Haus zum Anderen ermöglicht.
Der ruinös und archaisch anmutende Charakter der grauen Fassade aus dänischem Backstein hinterlässt den Eindruck eines monolithische Bauwerks, welches Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit vermittelt. Gleichzeitig weist er auf das voraus, was sich im Innern des Gebäudes abspielt und ein zentrales Anliegen der Architekten widerspiegelt. Es ist dies ihr Anspruch, eine elementare architektonische Sprache zu sprechen. Damit ist eine Dinglichkeit gemeint, die fassbar, allgemein verständlich und durch das ganze Gebäude durchgehend lesbar ist.
Der Fries
In klassischen antiken Bauwerken wurde der Fries, ein lineares, waagrecht verlaufendes Stilelement, verwendet, um die Gliederung einer Fassade zu strukturieren. Meist hatte der Fries ornamentalen Charakter. Christ und Gantenbein haben den Fries in einer genialen Lösung zeitgemäss und ganz neu interpretiert. Die umlaufende Leuchtschrift übernimmt die Gliederung der Fassade und unterrichtet das Publikum laufend darüber, welche Ausstellung gerade im Innern des Gebäudes zu sehen ist. Gleichzeitig beleuchtet die Schrift die Schattenfugen der Relieffassade und lässt die Backsteinwand wie aus Licht und Schatten gebaut wirken.
Materialität und Architektur
Die Räume des Neubaus haben eine starke physische Präsenz. Die Wände sind unverrückbar und sollen nicht den mobilen Charakter von Messeständen vermitteln. Boden, Wand und Decke haben eine sinnlich erlebbare Materialität, die aber ruhig, zurückhaltend und zeitlos daherkommt. Ganz klar hat die Kunst den Vortritt vor der Architektur.
Die verwendeten Materialien sind ein geäderter Bardiglio-Marmor aus Carrara für den Boden und rauer, strukturierter Kratzputz in kühlem Grau für die Wände. Die Ausstellungsräume sind mit einem warmen Eichenboden in Form von Klebeparkett verlegt, wie er früher in Gewerberäumen, Ateliers oder Schulzimmern verwendet wurde. Der kalte graue Eindruck des Treppenhauses steht im Kontrast mit den warmen Holzböden und den hellen Wänden in den Ausstellungsräumen, in denen die Kunstwerke präsentiert werden.
Diese sollen in einer festen Struktur zur Geltung kommen. Das physisch Reale soll spürbar sein; in einer zunehmend virtuellen Welt wird der Neubau so zu einem Ort der Verlässlichkeit und Dauer.
Über die verwendeten Materialien soll ein gewollter Kontrast vermittelt werden. Die für die Türen und Fenster und Handläufe verwendeten industriell anmutenden Metallgitter, aus handelsüblichem feuerverzinktem Stahl, stehen deshalb in einem gewollten Widerspruch zu der für die „Ewigkeit“ angelegte steinernen Fassade. Die mechanischen Teile haben einen zeitgebundenen Charakter, sie werden ihre Materialität und Farbe im Laufe der Zeit verändern. Emanuel Christ redet vom Cross-Over, der Kreuzung zweier unterschiedlich konnotierter Materialien.
St. Alban-Quartier
Grundfigur und Fassade des Neubaus beziehen sich auch auf das dahinterliegende Quartier St. Alban. Der Neubau vereint Elemente des barocken Stadtpalais (wie wir sie etwa vom Haus Kirschgarten oder entlang der Rittergasse her kennen) mit jenen eines modernen und urbanen Kunstcontainers. Der verwendete Marmor etwa im Innern nimmt über die Materialität Bezug zum Stadtpalais. Der Neubau bietet der Kunst des Rokkoko und jener der Gegenwart gleichermassen adäquate Ausstellungsbedingungen.
Auch die Strassenfluchten des Neubaus haben die Architekten in ihre Überlegungen miteinbezogen. Sie strahlen in beide Richtungen aus. Die Grundfigur des Baus wurde so gelegt, dass die Fassade exakt auf gleicher Flucht verläuft wie die angrenzenden Häuser im das St. Alban-Quartier und entlang der Dufourstrasse. So reiht sich der Neubau einerseits nahtlos in die vorhandenen Strassenfluchten ein und hat dennoch mit seiner einspringenden Ecke ein eigenständiges Gesicht erhalten.
Struktur des Hauses
Der Neubau besteht aus vier Geschossen, wovon das unterste unter der Erde zu liegen kommt, gefolgt vom Erdgeschoss und zwei Stockwerken, die überirdisch liegen. In den Obergeschossen befinden sich je zwei Ausstellungstrakte, die durch die zentrale Treppe verbunden sind. Diese Treppe wird von einem grossen Oblicht beleuchtet und ist das Herzstück des Gebäudes, eine riesige expressive Raumfigur. Die Ausstellungsräume sind offen gehalten, so dass eine freie Zirkulation für das Publikum ermöglicht werden kann.
Während das Obergeschoss mit wunderbaren Oblichtern versorgt werden kann, und damit eine Parallele zum Hauptbau aufweist, wird der erste Stock durch grosse Fenster mit Seitenlicht versorgt, auch dies eine Parallele zum Hauptbau. Die unterschiedlichen Räume und Lichtsituationen ermöglichen einen grossen Spielraum für die kommenden Ausstellungsmacher.
Sämtliche Depots und Werkstätten sind unterirdisch organisiert, genau wie auch die Verbindung vom Haupt- und Neubau, der unter der Dufourstrasse hindurch führt. Durch ein grosses unterirdisches Foyer, welches für Festakte, Pressekonferenzen, Symposien und vieles mehr entworfen wurde, gelangt der Besucher über die grosse, zentrale Treppe in alle Stockwerke des Neubaus.
Das neue Haus beherbergt eine gigantische kunstlogistische Maschinerie mit modernster Infrastruktur. Das Spektrum der Ausstellungsräume umfasst alle möglichen Raumkonzepte, von der Halle bis hin zum intimen Kabinettraum. Die starke physische Präsenz der Architektur stellt den Rahmen, aber auch eine Herausforderung für die Kunst dar. So sollen sich die Kuratoren auch an der Architektur reiben müssen. Denn die Architekten Christ und Gantenbein gehen davon aus, dass Kunst umso intensiver erlebt wird, wenn sie in einem verbindlichen architektonischen Raum gezeigt wird.