Paul Klee
01.10.2017 – 21.01.2018
Fondation Beyeler
Paul Klee (1879 – 1940) wird gemeinhin nicht zu den Vertretern der abstrakten Malerei gezählt, vielmehr wird sein umfangreiches Werk eher mit dem Expressionismus, Primitivismus oder Surrealismus in Verbindung gebracht, auch wenn es sich aufgrund seiner Vielfältigkeit keiner der genannten Kunstgattungen eindeutig zuordnen lässt. Dass Klee, neben den großen Wegbereitern der abstrakten Malerei, Wassily Kandinsky, Kasimir Malewitsch und Piet Mondrian, auch ein Platz in der Entwicklungsgeschichte der Abstraktion gebührt, möchte die von Anna Szech kuratierte Ausstellung der Fondation Beyeler unter dem Titel Paul Klee – Die abstrakte Dimension anhand von 110 in chronologischer Abfolge von 1912 bis 1940 angeordneten Werken des bei Bern geborenen Künstlers zeigen.
Von Petra Schneider
Abstraktion versus Gegenständlichkeit
Wird unter Abstraktion die Vermeidung jeglicher Gegenständlichkeit, die Beschränkung des Gemalten auf reine Farb- und Formklänge und die Erforschung ihrer innerbildlichen Bezüge verstanden, so wird man in dieser Hinsicht bei Klee zunächst in den Werken mit musikalischen Reminiszenzen fündig. In Alter Klang (1925) oder Harmonie E zwei (1926) werden farbige Vierecke nebeneinander gesetzt und ihre Abfolge rhythmisch komponiert, während sich in Polyphone Strömungen (1929) Farbstreifen miteinander verflechten, gleichsam den einzelnen Stimmen eines komplexen Musikstückes. Doch schon in Fuge in Rot (1921) treten vasenartige Gebilde auf, ein Eindruck, der von dem, in puncto verwendeter Farben und Formen, sehr ähnlichen Aquarell Töpferei (1921) bekräftigt wird.
Auch die sogenannten Quadratbilder, welche hauptsächlich in Klees Zeit am Bauhaus (1921 – 1931) entstanden, sind mitunter vollends gegenstandslos und durch reine Farbfeldmalerei gekennzeichnet. Jedoch verweisen sie mit, vom Künstler stets selbst kreierten, Titeln wie Blühender Baum (1925), Der blühende Garten (1930) oder Berg und Luft synthetisch (1930) auf die reale Welt ausserhalb des Bildes und geben vor, extrem abstrahierte Naturdarstellungen zu sein.
Abstraktion als Beschränkung auf das Wesentliche
Seine Schöpferische Konfession, enthalten in der gleichnamigen, 1920 von Kasimir Edschmid herausgegebenen Schriftensammlung, in der achtzehn zeitgenössische Maler, Schriftsteller und Musiker zu Wort kommen, beginnt Klee wie folgt: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar. Das Wesen der Graphik verführt leicht und mit Recht zur Abstraktion. Schemen- und Märchenhaftigkeit des imaginären Charakters ist gegeben und äußert sich zugleich mit großer Präzision. Je reiner die graphische Arbeit, das heißt, je mehr Gewicht auf die der graphischen Darstellung zugrunde liegenden Formelemente gelegt ist, desto mangelhafter die Rüstung zur realistischen Darstellung sichtbarer Dinge.“
Die Abkehr von einer wirklichkeitsgetreuen Abbildung durch Reduktion auf ursprüngliche Formelemente lässt sich gut anhand von Klees Natur- und Architekturdarstellungen beobachten. Kugelbäume, zusammengesetzt aus einem senkrechten Pinselstrich als Stamm und einem Kreis als Krone, bewachsen die kleine rhythmische Landschaft (1920) und das Parkbild b(ei) Regen (1920). In den Architekturlandschaften, etwa Himmelsblüten über dem gelben Haus (1917), werden Häuser auf Quadrate und Dreiecke zurückgeführt, in Burg 1 (1923) leitet sich die Festungsarchitektur lediglich über die mit dreieckige Strukturen angedeuteten Zinnen und die dunkler gefärbten Rechtecke als Schiessscharten ab. Allein aus den verwendeten Farben, Blau bis Blaugrün und Cremeweiss bis Beige, lässt sich schließlich das aus Rechtecken und Streifen zusammengesetzte Aquarell Haus am Wasser (1930) erschließen.
Abstraktion als formales Konzept
Rein abstrakte Bildwelten ohne Bezug, auch nicht im Titel, zur sichtbaren Welt finden sich bei Klee eher selten; allenfalls Kreationen wie Farbwinkel (1917), Verspannte Flächen (1930) oder Le rouge et le noir (1938) lassen sich dieser Kategorie zuordnen. „Aus abstrakten Formelementen wird über ihre Vereinigung zu konkreten Wesen oder zu abstrakten Dingen wie Zahlen und Buchstaben hinaus zum Schluss ein formaler Kosmos geschaffen, der mit der großen Schöpfung eine so große Ähnlichkeit aufweist, dass ein Hauch genügt, den Ausdruck des Religiösen, die Religion zur Tat werden zu lassen“, so Klee schon 1920 in der Schöpferischen Konfession. Schrift und andere Zeichen spielen im Spätwerk des Künstlers eine herausragende Rolle. Complexe Zahl (1937), Zeichen in Gelb (1937) oder Geheime Schriftzeichen (1937) legen hiervon Zeugnis ab. Daneben tauchen gelegentlich stark abstrahierte menschliche Figuren und Gesichter auf – so in ludus Martis (1938) oder Ohne Titel [Gefangen, Diesseits – Jenseits/Figur] (um 1940) – welche die Schwelle zu einer ganz abstrakten, von jeglicher Figuration befreiten Malerei markieren, ohne sie zu überschreiten.
Mit dieser Werkgruppe schließt die Retrospektive in der Fondation Beyeler nach der die Geschichte der abstrakten Malerei freilich nicht neu geschrieben werden muss, denn obschon sich Klee in seinem umfangreichen Œuvre immer wieder abstrakter Gestaltungsmittel bedient hat, wird offensichtlich, dass die reine Abstraktion für ihn kein erstrebenswertes Ziel, sondern nur ein künstlerisches Verfahren neben anderen war. Die Gegenständlichkeit bleibt stets, zumindest unterschwellig, präsent und kommentiert mitunter auf ironische Weise den abstrakten Bildanteil; in mit dem braunen Δ (1915) mutiert das titelgebende Trigon mittels hinzugefügtem Kopf und Gliedmaßen zum Dromedar und entlockt dem Betrachter ein leises Schmunzeln.
In jedem Fall lohnt sich, schon aufgrund der selten gezeigten Werke aus privaten Sammlungen, der Besuch der Ausstellung Paul Klee – die abstrakte Dimension, in der sich noch bis zum 21. Januar 2018 das Werk eines faszinierenden Künstlers aus einem etwas anderen, abstrakteren Blickwinkel betrachten lässt.