20. Januar – 6. März 2016
Von Sibylle Meier, Basel
Thomas Hauri
Architektur – wir durchschreiten sie täglich, sie umgibt uns, sie beeinflusst unser Verhalten, prägt unser Sehen. In den Strassen, durch die wir täglich gehen, begegnen wir Objekten und Gegenständen, Materialien und Strukturen, die wir längst kennen. So glauben wir. Das Kunsthaus Baselland schickt uns mit seiner ersten Ausstellung im 2016 auf einen spannenden Pfad durch die Möglichkeiten der Wahrnehmung.
Die Ausstellung Thomas Hauri und Max Leiß zeigt zwei Künstler aus Basel, die sich beide von ihrem urbanen, architektonischen Umfeld inspirieren lassen. Der Lenzburger Thomas Hauri hat sich konsequent der Malerei verschrieben, genauer der Aquarelltechnik und entwickelt, von architektonischen Impulsen ausgehend, eindrückliche Bildräume. Der deutsche Bildhauer Max Leiss, legt seinen Fokus auf skulpturale Formen und Fotografie. Beiden Künstlern gemein ist ihre intensive Auseinandersetzung mit der Architektur vor Ort, der sie präzise und mit überraschender Wirkung, ihre Werke entgegenstellen.
Thomas Hauri bespielt mit seinen grossformatigen, auf schwerem Büttenpapier aufgetragenen Arbeiten das gesamte Erdgeschoss inklusive Annex und Kabinetträume des Kunsthauses Baselland. Es ist seine erste grosse institutionelle Ausstellung in der Schweiz. Hauri betont die Wichtigkeit des prozesshaften Arbeitens in seinem Werk, er arbeitet zyklisch und über mehrere Monate an seinen Werken. Die Geometrie der Architektur, Fassadenstrukturen, aber auch ein Strassenbelag, sind Ausgangspunkt für seine Bilder. Ihrer strengen Struktur setzt er die unkontrollierte, expressive Kraft der Fliessprozesse der Aquarelltechnik entgegen. Seine bevorzugte Farbe ist das Elfenbeinschwarz. Schichtweise trägt er sie auf und lässt immer mehr Licht auf seiner Leinwand verschwinden. Durch Aussparungen können Lichträume entstehen, die uns hie und da wieder an Architektur erinnern. Diese ist nicht der zentrale Aspekt seiner Arbeiten. Architektur ist der ästhetische Ideengeber, von dem aus Hauri, über die Jahre seine eigene Bildsprache und Aquarelltechnik entwickelt hat. Er bearbeitet sein Papier mit der Bürste, mit dem Wasser-Zerstäuber, mit Gummi Arabicum. Er schrubbt und kratzt, übermalt und wäscht aus, solange bis ein tiefgründiger Bildraum entstanden ist, dessen Sogwirkung man sich kaum entziehen kann. Auf Rahmen verzichtet er ganz, seine Werke brauchen Luft zum Atmen, und wenn er doch hie und da einen gemalten Rahmen stehen lässt, dann nur um ihn sogleich wieder durchbrechen zu können. Hauri spielt auf ernsthafte Art mit Schwere und Leichtigkeit, seine Bilder kommen dem Betrachter entgegen, um sogleich zu entschwinden, will er sich ihnen nähern. Denn auch wenn uns Hauri alles über seine Technik erzählt, seine Inspirationsquellen benennt, die Tiefe seines Schwarz aus Kohleknochen gewinnt, so hat er doch nichts darüber verraten, wie sich diese tiefe und geheimnisvolle Atmosphäre in seine Bilder schleicht, die den Betrachter in den Bann ziehen.
Max Leiß: Dialog mit dem Umfeld
Schon auf der Treppe ins Untergeschoss fällt der Blick auf eine Gruppe von objekthaften Fundstücken, die an funktionale Elemente im Aussenraum erinnern. Beim Gang in das Untergeschoss, das in seiner Gänze von Max Leiß bespielt wird, wird der Besucher aber nicht nur von dieser eigenartigen Skulpturenfamilie am Ende der Treppe empfangen, sondern auch von einer merklich kühleren Temperatur. Es ist frisch im Untergeschoss und genau dies vermittelt das Gefühl einen Aussenraum zu betreten. Wir sind wieder draussen, dort wo Max Leiß mit seiner Arbeit beginnt. Mit dem Suchen und Finden von Raumfassungen, mit dem Sehen und Erkennen von Formen und Volumen aus dem urbanen Umfeld. 2014 konnte Max Leiß bereits eine Einzelausstellung im Aargauer Kunsthaus bestreiten. Im Rahmen der Ausstellungs-Reihe CARAVAN, die junge Kunst fördert, hat Leiss Objekte und Skulpturen entworfen oder muss man sagen gefunden, die nun, in neuer Zusammensetzung wieder im Kunsthaus Baselland anzutreffen sind. Zum Beispiel die Skulptur „rendez-vous“, 2014 aus verzinktem Stahl. Leiß schafft durch das Zusammentreffen von Funktionalität und Form, eine eigene skulpturales Sprache. Auch für ihn ist der Prozess der Formfindung zentral. Ähnlich wie in der Aquarelltechnik von Hauri, sind auch Leiß Objekte und Skulpturen geprägt von bewussten Setzungen und zufällig Entstandenem, eine Mischung aus eigener Herstellung und fremder Einwirkung.
Mit seinen präzisen Platzierungen vermag Leiß die umgebende Architektur bewusst in Frage zu stellen oder sie umgekehrt zu betonen. Wie eine zeichnerische Linie, zieht sich etwa das 40 m lange Werk „Funktionszeichen“, ein aus Schamott vor Ort gegossene, schmaler Sockel durch das Untergeschoss und verleiht der Architektur damit eine neue Lesart.
Max Leiß fördert nicht nur durch Setzungen im Raum die skulpturalen Eigenschaften von Objekten und ihrer Umgebung. Er findet sie auch vor Ort, im Aussenraum. Eine Serie von Fotografien zeugt eindrücklich von der Schärfe seines Sehvermögens, nicht jenes der Augenlinse, sondern der Klarheit seines Verstandes. Leiß schaut mit offenen Augen und offenem Geist und spürt den skulpturalen Charakter von Objekten auf, um sie so aussehen zu lassen, als hätte er sie eigens für seine Fotografien hergestellt. Dass dem nicht so ist, mag man fast nicht glauben angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der die Objekte da sind.
Die Ausstellung Thomas Hauri und Max Leiß bespielt mit leisen Tönen, dezenter Farbigkeit und zurückhaltenden Setzungen die Räume des Kunsthaus Baselland. Es ist diese Ruhe, die die nachhaltige Kraft dieser Werke erst richtig zur Geltung bringt.