Archiv der Kategorie: Kunstmuseum Basel

Zur 50. Ausgabe von Artinside

Josef Helfenstein, Direktor des Kunstmuseums Basel, ist Kunsthistoriker und Kurator der Ausstellung «William Kentridge». Karen Gerig, Verantwortliche Kommunikation am Kunstmuseum Basel und Kunsthistorikerin, hat die Fragen gestellt.
Josef Helfenstein, Direktor des Kunstmuseums Basel

Mit dem vorliegenden Heft halten Sie die 50. Ausgabe des Artinside in Händen. Seit 16 Jahren informieren die Basler Kunstmuseen Sie auf diesem Weg über Ausstellungen, Vernissagen und andere Programmpunkte. Noch älter ist die Geschichte der Art Basel, die mit inzwischen zahlreichen Nebenmessen und -events das internationale Publikum nach Basel lockt. Die Museen verwöhnen es alljährlich mit einem reichhaltigen Programm und hervorragenden Ausstellungen – auch in diesem Jahr haben sie keinen Aufwand gescheut. Zur 50. Ausgabe von Artinside weiterlesen

Kosmos Kubismus – Von Picasso bis Léger

Kunstmuseum Basel
30.03.2019 – 04.08.2019

Die Autorin, Dr. Eva Reifert, ist Kuratorin für 19. Jahrhundert und Klassische Moderne am Kunstmuseum Basel und hat die hat die Ausstellung Kosmos Kubismus kuratiert.
Die Autorin, Dr. Eva Reifert, ist Kuratorin für 19. Jahrhundert und Klassische Moderne am Kunstmuseum Basel und hat die hat die Ausstellung Kosmos Kubismus kuratiert.

Von Eva Reifert

Es gibt wenige Kunstrichtungen, über die so viel geschrieben, gesagt und geforscht wurde wie über den Kubismus. Georges Braque und Pablo Picasso stellten mit ihrer in engem Austausch entstandenen Kunst ab 1907 unsere Vorstellung auf die Probe, dass wir in unserem Leben von klar definierten, direkt abbildbaren Objekten umgeben sind. Sie brachen mit ihren Werken althergebrachte Sehgewohnheiten auf und schufen revolutionäre Werke im Spannungsfeld von ganz unterschiedlichen Einflüssen – Literatur, Kunst, Erkenntnisse der modernen Physik und Mathematik und die ausdrucksstarken Skulpturen, die aus den französischen Kolonien in Völkerkundemuseen und zeitgenössische Sammlungen gelangt waren. Kubistische Kunst ist noch heute ein Abenteuer für unsere Sehgewohnheiten. 

Sonia Delaunay, Elektrische Prismen, 1914
Sonia Delaunay, Elektrische Prismen, 1914

Im Kunstmuseum Basel bietet sich ab April 2019 die einzigartige Gelegenheit, diese Kunstrichtung neu zu entdecken. Bei der Frage nach einem «typisch kubistischen» Werk würde die Wahl der meis-ten Menschen wohl spontan auf eines der bekanntesten Bilder von Picasso oder Braque von 1910 bis 1911 fallen. Das Motiv ist in den Gemälden dieser Zeit in Facetten aufgesplittert und fast gänzlich auf verhaltene Grau- und Brauntöne konzentriert – wie etwa in Braques Broc et Violon in der Sammlung des Kunstmuseums Basel. 

Die Ausstellung Kosmos Kubismus. Von Picasso bis Léger überrascht, indem sie neben der zerebralen Eleganz auch die farbenfrohe, spielerische und experimentierfreudige Seite des Kubismus vorstellt und so das Bild von dieser Kunstrichtung erweitert. Die in Kooperation mit dem Centre Pompidou in Paris entstandene Schau bringt erstmals die zahlreichen kubistischen Meisterwerke beider Museen zusammen, ergänzt um bedeutende Leihgaben aus dem Musée Picasso und weiteren internationalen Sammlungen. Die insgesamt rund 130 Werke bieten die Chance, die weltbekannten kubistischen Werke der Basler Kunstsammlung aus der Schenkung Raoul La Roche, die zu den schönsten überhaupt gehören, im weiteren Kontext ihrer Entstehung zu sehen und den Kosmos Kubismus in all seinen Facetten zu erkunden.

Picasso vor dem 1916 im Atelier in der Rue Schoelcher, Paris, überarbeiteten Homme accoudé sur une table (endgültiger Zustand), 1916
Picasso vor dem 1916 im Atelier in der Rue Schoelcher, Paris, überarbeiteten Homme accoudé sur une table (endgültiger Zustand), 1916

Kosmos Kubismus zeigt dabei in neun chronologisch und thematisch angelegten Kapiteln über die epochemachenden Gemälde von Braque und Picasso hinaus auch, wie Pariser Künstler die kubistische Bildsprache aufnahmen und weiterentwickelten – darunter Juan Gris, Fernand Léger, Henri Laurens, Sonia und Robert Delaunay, Jean Metzinger und Albert Gleizes. Deren Ausstellungen in den Pariser Salons, wo sich der Kubismus farbig, in grossen Formaten, am Esprit der Grossstadt und am modernen Leben interessiert präsentierte, machten die neue Kunstrichtung der Öffentlichkeit bekannt. Wer hätte gedacht, dass es kubistische Eiffeltürme und Football-Spieler gibt? 

In der Ausstellung des Kunstmuseums wird die Entwicklung des Kubismus von 1908 bis nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ebenso erlebbar wie die enorme stilistische Spannweite und sein revolutionäres Potenzial. Mit ungebremster Kreativität rissen die Künstler des Kubismus innerhalb weniger Jahre die festgefügten Bausteine der traditionellen Kunstauffassung einen nach dem anderen nieder, bis sie mit ihren Neuerungen der Kunst eine gänzlich neue Grundlage geschaffen hatten. Auch für die weitere Entwicklung der Kunst des 20. Jahrhunderts ist die Bedeutung des Kubismus kaum zu überschätzen. Viele der Innovationen und Grenzüberschreitungen der späteren Jahrzehnte nämlich sind in ihm bereits angelegt.

 

 

Video / Film. Bestandsaufnahme

bis 14.04.2019

Das Kunstmuseum Basel zeigt Film- und Videoarbeiten aus der
eigenen Sammlung. Die Werke beschäftigen sich alle mit den künstlerischen Möglichkeiten und den dokumentarischen, experimentellen Spielarten des Mediums. Eine Recherche im Archiv hat gezeigt, dass das Haus in den 1970er-Jahren ein gut besuchtes Filmprogramm durchführte. Alle zwei Wochen wurden neuste Künstlerfilme sowie Dokumentarfilme über Künstlerinnen und Künstler gezeigt. Ziel war es, einerseits auf aktuelle Entwicklungen innerhalb der bildenden Kunst zu reagieren und andererseits die Sammlung mithilfe von dokumentarischen Filmen zu vermitteln.  Video / Film. Bestandsaufnahme weiterlesen

Füssli. Drama, Theater und ein Shakesbeer

Kunstmuseum Basel
20.10.2018 – 10.02.2019

Von Sibylle Meier

Wer mit Malerei grosse Geschichten erzählen will, steht vor der Herausforderung, dem Betrachter oder der Betrachterin auf einen Blick klar zu machen, wovon hier die Rede ist. Die Möglichkeit, mit Worten eine Situation zu beschreiben, fällt weg, und was an Mitteln übrig bleibt sind Körperhaltung, Gesten oder Blicke – oft übertrieben und überspitzt – denn es bleibt nur wenig Raum für emotionalen Ausdruck: Weit aufgerissene Augen, ein hilflos-ohnmächtig drapierter Körper oder ein dramatisch ausgestreckter Zeigefinger. In der Kunstgeschichte heissen solche Gesten Pathosformeln – jeder kennt sie irgendwie – denn sie stehen für die typisierte Darstellung eines Gefühls und nicht für dessen individuelle Interpretation.

Johann Heinrich Füssli, Lady Macbeth, schlafwandelnd, um 1783
Johann Heinrich Füssli, Lady Macbeth, schlafwandelnd, um 1783

Keiner kennt sich besser aus mit der Verbildlichung von dramatischen und extrem spannungsgeladenen Emotionen wie der Schweizer Maler und Theologe Johann Heinrich Füssli (1741–1825). Die aktuelle Herbstausstellung im Kunstmuseum Basel trägt den Titel Füssli. Drama und Theater, denn die Ausstellung legt den Fokus auf die theatralen, dramaturgischen Stilmittel, mit denen es Füssli gelingt, literarische Stoffe in emotional stark aufgeladene Bilder umzuwandeln: präzise Lichtführung, die Konzentration auf einen dramatischen Aspekt, grosse Gesten und ganz wichtig: die Wiederholung. Denn Wiederholung erzeugt Dramatik, und das ist sein erklärtes Ziel: Füssli will das Publikum mit seinen Bildern umhauen.

„The Wild Swiss“ als malender Geschichtenerzähler
Inspiration zu seinen Bildmotiven findet der nach England ausgewanderte Schweizer in griechischer und mittelalterlicher Mythologie, aber vor allem in den Dramen von Shakespeare und John Milton. Dichtung und Malerei sind für Füssli zwei gleichwertige Künste, und er hat deshalb sein ganzes Leben der Illustration von grossen literarische Stoffen gewidmet. Es ist also die Liebe zu grossen Geschichten, die den „Wild Swiss“, wie er von den Engländern genannt wurde, dazu motivieren, heilig erhabene Gefühle oder deren Gegenteil, den tiefen Abgrund menschlicher Regungen, auf die Leinwand zu bannen. An der Epochenschwelle zur Romantik interessiert sich der leidenschaftliche Literat und Theaterbesucher für Geister, Helden, Feen und Satan; für die Abgründe der Seele und deren dunkle Geheimnisse.  Er entwickelt sich zum malenden Geschichtenerzähler, denn es gelingt ihm wie kaum einem anderen, Literatur so dramatisch zu verdichten und auf einen Höhepunkt hin zuzuspitzen. Füssli – der „Shakespeare der Leinwand“.

Vielen ist Füssli durch die Darstellung seines Skandalgemäldes „der Nachtmahr“ bekannt. Das Kunstmuseum Basel zeigt nur eine der drei bekannten Versionen, jene aus der Privatsammlung von Ulla Dreyfus-Best. Die Schau konzentriert sich in fast siebzig Werken vor allem auf die Umsetzung literarischer Quellen und ist – Füssli-gerecht – auf den maximalen Effekt hin aufgebaut. Eva Reifert, die Kuratorin der Ausstellung, beginnt den Parcours mit Motiven aus der Antike und führt uns über das Mittelalter hin zu den grossen Stoffen von Shakespeare und Milton. Ein sehr gut gemachtes Saalblatt steuert dabei das Publikum sicher durch die unzähligen literarischen Quellen, die den Gemälden zugrunde liegen.

Johann Heinrich Füssli, Oberon träufelt Blumensaft in die Augen der schlafenden Titania, 1793 (links), Inszenierung von Thom Luz, Jonas Alsleben, Video, 2018
Johann Heinrich Füssli, Oberon träufelt Blumensaft in die Augen der schlafenden Titania, 1793 (links), Inszenierung von Thom Luz, Jonas Alsleben, Video, 2018

Thom Luz führt Füssli ins 21. Jahrhundert
In der Hälfte der Ausstellung erwartet die Besuchenden eine Überraschung: eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit den Pathosformeln, die Füsslis Werk prägen. Das Kunstmuseum Basel konnte den Hausregisseur des Basler Theater Thom Luz gewinnen, ein Werk zum Thema Drama und Theater zu entwickeln, worauf eine faszinierende Videoarbeit entstanden ist (Videokünstler: Jonas Alsleben). Zusammen mit 15 Schauspielern aus dem Ensemble des Theater Basel hat Luz dreissig typische Figurenposen aus Füsslis Oeuvre ausgesucht und in geisterhaften Projektionen – als bewegte Tableaus – auf die Wand geworfen. Es ist das Unheimliche, das Luz an Füsslis Werk fasziniert. Die aufgehängten Fotografien der leeren Museumsräume erfahren eine interessante Kontextverschiebung und werden zur Theaterbühne. Die Tableaus sind auf Augenhöhe angebracht und versetzen das Museumspublikum in die Rolle des Theaterbesuchers. Auf dieser Fotobühne entspinnen sich nun geisterhafte Szenen, die manchmal heilig erhaben, aber auch durchaus humorvoll die grossen Gesten Füsslis nachspielen. Es ist ein grosser Spass, die typischen Gesten auszumachen und den Bildern Füsslis zuzuordnen.

Ueli Shakesbeer 2018 – im Shop und im Bistro des Kunstmuseum Basel erhältlich
Ueli Shakesbeer 2018 – im Shop und im Bistro des Kunstmuseum Basel erhältlich

Eine seiner Lieblingsszenen, verrät Thom Luz, ist das Bild Oberon träufelt Blumensaft in die Augen der schlafenden Titania von 1793 aus dem Sommernachtstraum von Shakespeare. Es ist ein Liebessaft, den Titania beim Aufwachen dazu veranlassen wird sich in den Esel Zettel zu verlieben. Und schon sind wir wieder mittendrin in der Welt Füsslis, der fliessend griechisch und lateinisch sprechen konnte und sämtliche literarischen Klassiker im Original gelesen hatte.

Aber wer jetzt erst einmal all die grossen Dramen der Welt verdauen muss, der setzt sich am besten ins Bistro des Kunstmuseums Basel und gönnt sich beim gepflegten, hauseigenen Ueli Shakesbeer eine wohlverdiente Pause.

 

 

 

Kunstmuseum Basel: Füssli – Drama und Theater

Kunstmuseum Basel
20.10.2018 – 10.02.2019

Johann Heinrich Füssli (1741–1825) interessierte sich zeitlebens für die Literatur und das Theater und formulierte unzählige Vorlagen von Milton bis Shakespeare für seine Gemälde um. Füssli. Drama und Theater rückt diese literarischen Quellen anhand von rund 70 Gemälden in mehreren Ausstellungskapiteln in den Fokus und widmet sich darin ebenso den dramatischen Stilmitteln des Malers.  Kunstmuseum Basel: Füssli – Drama und Theater weiterlesen

Kunstmuseum Basel – InnenWelten

InnenWelten
Schenkung Betty und Hartmut Raguse-Stauffer
15.09.2018 – 06.01.2019

Seit 2014 hat das Kupferstichkabinett des Kunstmuseums Basel im Rahmen einer Schenkung von Betty und Hartmut Raguse-Stauffer rund 300 Werke auf Papier vor allem aus den Bereichen des Expressionismus und der zeitgenössischen Kunst entgegennehmen können. Diese Schenkung spiegelt eine 40 Jahre dauernde bemerkenswerte Sammlertätigkeit wider. Sie ist nicht nur Zeugnis einer unbedingten Liebe zur Kunst mit ausgeprägtem Sachverstand und feinem Gespür für Qualität, ist sie gleichzeitig Ausdruck der innigen Verbundenheit zweier Menschen, die ein grosses Stück ihres Lebensweges gemeinsam beschritten haben. Mit einer Ausstellung von rund 70 Zeichnungen und Aquarellen aus dieser Schenkung würdigt das Kunstmuseum Basel einerseits das grosszügige Engagement des Stifterpaares, andererseits ist sie auch eine Hommage an die 2015 verstorbene Betty Raguse-Stauffer.

Das erste Werk, eine Zeichnung von A. R. Penck, erhielten Betty und Hartmut Raguse-Stauffer anlässlich ihrer Hochzeit im Jahr 1976. Schon im folgenden Jahr kam mit dem Erwerb einer Radierung von Emil Nolde ein weiteres Werk in die Sammlung, dem noch zahlreiche folgen sollten. Bereits in dieser frühen Zeit kristallisierten sich die beiden Hauptinteressen der Sammler heraus: Zum
einen galt ihre Liebe den Künstlern des Expressionismus, zum anderen verfolgten sie die Entwicklungen in der zeitgenössischen Kunst und begeisterten sich vor allem für figurativ arbeitende Künstler wie A. R. Penck, Jonathan Borowski, Marlene Dumas und Rosemarie Trockel. Die dem Sammlerpaar ebenfalls wichtigen Schweizer Künstler der 1980er-Jahre wie Silvia Bächli, Miriam Cahn und Josef Felix Müller schenkte es dem Aargauer Kunsthaus in Aarau.

Entscheidend für Betty und Hartmut Raguse-Stauffer war nicht, bestimmte Künstler oder künstlerische Positionen zu sammeln. Ausschlaggebend war vielmehr das einzelne Werk, das konkrete Motiv, in dem sich die persönlichen Vorlieben und Interessen der Sammler gespiegelt finden: existenzielle menschliche Erfahrungen wie Liebe und Tod, Religion und Spiritualität sowie die Musik. Hartmut Raguses Tätigkeit als Theologe und Psychoanalytiker, aber auch als passionierter Musiker sowie der Beruf seiner Frau als Psychoanalytikerin zeichnen sich in der Wahl der Blätter ab.