Von Josef Helfenstein
Liebe Kunstfreund*innen
Der «Lockdown» ist vorüber, und dennoch befinden wir uns in einer Situation, die weit von der Normalität entfernt ist. Kaum jemand von uns hat einen solch radikalen Stillstand unseres öffentlichen Lebens für möglich gehalten, auch wenn er bei uns nur zwei Monate dauerte. Erstaunlicherweise haben die meisten den Sinn dieser «Notbremse» eingesehen, wenn nicht zu Beginn, dann vermutlich im Nachhinein. Viele von uns haben die Beschleunigungsspirale, in der wir als Gesellschaft stecken, mit wachsender Besorgnis wahrgenommen, mit dem Gefühl, dass wir dagegen als Individuen kaum etwas tun können.
Kulturinstitutionen und vielleicht Museen in ganz besonderer Weise hatten schon immer die Funktion, «geschützte Orte» zu sein, Raum für Reflexion, Regeneration und Kontemplation anzubieten, und gleichzeitig Orte sozialer Begegnung. Museen bewahren, im Auftrag einer Öffentlichkeit, wertvolle, meist von Menschen geschaffene Objekte, die teilweise Hunderte von Jahren oder noch älter sind. Sie haben den Auftrag, diese Objekte auf Dauer und für Generationen vor Zerstörung zu retten. Damit bilden die Museen ähnlich wie wertvolle Bibliotheken oder Archive eine Art Gedächtnis der Menschheit.
Es ist fraglich oder zumindest ungewiss, ob es eine Normalität, wie sie vor der aktuellen Pandemie existierte, wieder geben wird. Ich persönlich glaube eher, dass wir auch in Zukunft mit einem Gefühl erhöhter Fragilität und Verwundbarkeit, uns und unseren Planeten betreffend, werden leben müssen. Zumindest in absehbarer Zeit sind Covid-19 und seine Auswirkungen nicht vorbei, ein Normalzustand ist nicht absehbar. Das wird auch fundamentale Auswirkungen für kulturelle Institutionen, wie es die Museen sind, haben. Ich zweifle aber nicht, dass unsere Museen und die Gegenstände, die sie aufbewahren, gerade in Zeiten erhöhter Unsicherheit für eine Gesellschaft, die auch geistig-mental funktionieren und nicht in einzelne verfeindete Gruppen zerfallen soll, eine grosse Wichtigkeit haben. Seltsam, dass die abrupte Entschleunigung, die uns durch den Lockdown verordnet wurde, nicht nur Verständnis, sondern auch Erleichterung ausgelöst hat; zumindest bei Menschen, die davon nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten und existenzielle Sorgen gestürzt wurden.
Museen sind für mich, oder sollten es zumindest sein, Orte der Entschleunigung, so etwas wie stressfreie Zonen, in denen andere Kriterien gelten, nicht zuletzt dank der Aura, welche von Kunstwerken ausströmt. Bei vielen von ihnen grenzt es an ein Wunder, dass sie vergangene Krisen, Brüche und Spannungen überlebt haben. Nicht alle Kunst, die heute produziert wird, aber die bedeutende Kunst der Gegenwart und der Vergangenheit wird auch in Zukunft für die Menschen von grossem Wert sein. Museen existieren an der Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Zukunft. Was heute als wertvoll beurteilt wird, soll auch für zukünftige Generationen erreichbar sein. Kunst- und Kulturgegenstände im weitesten Sinne, die wir in unseren Museen aufbewahren, sind für mich ein öffentliches Gut, das allen Menschen zur Verfügung stehen sollte – genauso wie die natürlichen Ressourcen unseres Planeten – Wasser, unsere Böden, die Luft oder das Sonnenlicht.
Die Museen und alle Kulturinstitutionen in Basel und der Dreilandregion freuen sich auf Ihren Besuch. Herzlich grüssend, Josef Helfenstein