David Claerbout – Olympia
The real-time disintegration into ruins of the Berlin Olympic stadium
over the course of a thousand years
01.06.2017 – 22.10.2017
Schaulager Basel
Stein um Stein hat der belgische Künstler David Claerbout das martialische Olympia-Stadion in Berlin digital rekonstruiert. In jahrelanger Arbeit am Computer nachgebaut, gibt er den Monumentalbau seit März 2016 in Echtzeit dem Zerfall preis. Der Alterungsprozess, den der Künstler berechnet hat, ist allerdings auf die kommenden tausend Jahre angelegt. Diese zeitliche Dimension des Projekts – ein Millennium Laufzeit! – übersteigt den menschlichen Zeithorizont bei Weitem.
David Claerbouts Olympia ist eine schwindelerregende Reflexion über Zeit und Wahrnehmung. Auf den zwei grossformatigen Projektionen wird das gleichmütige Fliessen der Zeit ohne Filmschnitt erfahrbar. Vordergründig passiert eigentlich nichts, höchstens eine subtile Veränderung des Gebäudes und der Umwelt. Diese wird vom realen Wetter in Berlin bestimmt: Fortlaufend werden aktuelle Wetterdaten und der Sonnenstand in das digital berechnete Stadion eingespeist.
Im Schaulager kann die Betrachterin oder der Betrachter in die meditative Langsamkeit einer Parallelwelt eintauchen, die in Echtzeit am Computer simuliert, was in Berlin meteorologisch und klimatisch in Wirklichkeit passiert: Regnet es in Berlin, regnet es auch in Olympia, schneit es dort, schneit es auch hier. Allerdings gibt es keine Menschen, die bei einsetzendem Regen oder Schnee ihren Schritt beschleunigen, keine Insekten schwirren in der Sommerhitze, und bei beginnender Dunkelheit sind auch keine Nachtfalter zu erkennen. Die vordergründig realistische Bilderwelt ist menschenleer, Tiere fehlen ebenso. Konstant und langsam arbeiten in dieser künstlichen Welt nur das Wetter und die natürlich wachsende Vegetation am organischen Zerfall des virtuellen Stadions.
Mit der Zeitspanne von tausend Jahren spielt David Claerbout auf den tausendjährigen Herrschaftsanspruch des Dritten Reiches an, dessen Geist das 1936 eingeweihte Berliner Stadion hervorgebracht hat. Der Künstler versteht seine Installation Olympia somit auch als einen Versuch, den zeitlichen Verfall eines ideologischen Konstrukts der biologischen Zeit der Natur und der Lebenserwartung eines Menschen gegenüber zu stellen.
Das Schaulager plant kurzfristig angekündigte erweiterte Öffnungszeiten, um Besucherinnen und Besucher einzuladen, auf der zweiteiligen Grossprojektion etwa einen spektakulären Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang oder auch einen prächtigen Vollmond zu erleben und vorübergehend jedes Gefühl für Zeit und Ort zu vergessen.