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Renée Levi – Italique – im Kloster Schönthal

Renée Levi
Italique
04.05.2013–29.09.2013
Kloster Schönthal, BL

 

Renée Levi, Ausstellungsansicht, Kloster Schönthal, 2013
Renée Levi, Ausstellungsansicht, Kloster Schönthal, 2013

Wenn die Künstlerin nach cursif für ihre neue Ausstellung den Titel italique wählt, dann schreibt oder malt sie ihr Alphabet weiter. Typografie wird Malerei. Italique ist auch Kursivschrift, und die Malerei demzufolge schräg. So liegen jedenfalls grosszügig gemalte Farbformen auf rohen Leinwänden und messen deren Flächen aus, eilen über sie hin und deren Grenzen entlang. Ein Bild ist ein Bild ist ein Bild. Schräg im doppelten Wortsinn sind diese Bildtafeln indessen nicht – im Gegenteil. Sie wirken luzid, transparent, cartesianisch klar. Diese Bilder wollen nicht mehr, als dass sie da sind: Leinwände auf Keilrahmen, rohes Leinen oder maschinell weiss grundierte Stoffbahnen auf Holzträgern, welche als Hintergrundstruktur durchscheinen können. Ein gestischer Farbauftrag, der aus dem Farbkessel kommen kann oder aus der Spraydose. Fertig ist das Bild. Radikal wie die romanische Architektur der Schönthaler Klosterkirche. Renée Levi, 1960 in Istanbul geboren, in Basel arbeitend und der französischen clarté verpflichtet, war Architektin. Konträr zu vielen Laufbahnen, ist sie vom Raum zur reinen Fläche gelangt. Ihre Ausstellung Italique schreibt im Kloster Schönthal Einrichtungsgeschichte.

 

Michel Auder in der Kunsthalle Basel

Endless Column, Filmstill, 2011
Endless Column, Filmstill, 2011

«Stories, Myths, Ironies, and Other Songs: Conceived, Directed, Edited, and Produced by M. Auder»
Im Sommer eröffnet die Kunsthalle Basel die erste grosse Ausstellung Michel Auders in der Schweiz, die eine Auswahl seiner Video-Arbeiten zeigt, welche zwischen 1969 und 2013 entstanden sind. Der 1945 in Soissons (FR) geborene Künstler lebt seit 1970 in New York (USA). Die Ausstellung präsentiert die gesamte Bandbreite des reichen Œuvres Auders, eine Neubetrachtung der Vielfalt der Genres und Formate, die er erforscht und gibt eine Einführung in Michel Auders verschiedene Rollen, die er weiterhin als Kameramann, Regisseur, Cutter und Produzent seiner eigenen Film- und Videoarbeiten spielt.
Mit 18 Jahren, belesen in zeitgenössischer Literatur und stark beeinflusst durch die innovativen Filmbearbeitungstechniken und nicht-linearen narrativen Strukturen der französischen Nouvelle Vague sowie den experimentellen Cut-up-Techniken, mit welchen sich William S. Burroughs und Brion Gysin in ihrer Poesie in den 50er-Jahren beschäftigten, begann Auder in Frankreich zu fotografieren und zu filmen.
1969 liess er sich mit seiner Frau Viva, eine von Andy Warhols Superstars, in New York nieder und begann das Sony Portapak Video Equipment zu verwenden. In Auders Arbeiten aus dieser Zeit, einschliesslich der Produktion Cleopatra in Spielfilmlänge, beteiligten sich oft Stammgäste aus Andy Warhols Factory, welche vor Auders Kamera improvisierten.
Auder, der selbst als Dokumentarfilmer oder Anthropologe arbeitet, entwickelte eine Form des traumartigen Videotagebuchs, indem er sich selbst, oft in verschiedenen häuslichen Umfeldern oder während seiner Reisen, darstellt. Ebenfalls produzierte er intime Portäts befreundeter Künstler wie Hannah Wilke, Alice Neel, Annie Sprinkle, Louis Waldonoder Cindy Sherman (Auders zweiter Frau).
Auders Arbeit, welche als eine Art Schreiben mit Bildern, Musik, Worten und Ton beschrieben werden kann, macht Gebrauch von diesem umfassenden Archiv von Video und Ton, welches er die letzen 40 Jahre angesammelt hat. In seinen Videos mischt er vergangene mit neuen Aufnahmen, sodass die Datierung des Werks mit dem Jahr der Filmbearbeitung übereinstimmt – manchmal Jahrzehnte nachdem die ursprünglichen Aufnahmen entstanden sind.
Für Jonas Mekas, selbst Filmemacher, Freund Auders und Begründer der legendären Anthology Film Archives in New York, ist Michel Auder ein Poet: «Ein Poet der Stimmungen, Gesichter, Situationen, kurzen Begegnungen, tragischen Momente aus unserer miserablen Zivilisation, des Leidens. Und ja, auch menschlicher Eitelkeit, Lächerlichkeit. Städte, Menschen, Tiere, Kultur, Natur – alles wird in Auders kontinuierlichen Video-Tagebüchern reflektiert, welche er seit 20 Jahren dokumentiert. […][Die] Kamera war immer da, läuft immer, ist ein Teil des Hauses, ein Teil seines Lebens, seiner Augen, seiner Hände. Sie ist es immer noch. Eine der schönsten Liebesaffären – nein, keine Affäre: eine Besessenheit.»

Michel Auder
09.06.2013 – 25.08.2013
Kunsthalle Basel

Steve McQueen im Schaulager

Das Schaulager zeigt die erste umfassende Ausstellung des radikalen britischen Videokünstlers und Filmemachers Steve McQueen. Erstmals sind im Schaulager mehr als zwanzig Video- und Filminstallationen, einzelne Fotoarbeiten sowie zwei neu für diese Ausstellung geschaffene Werke zu sehen.

Zwei Geschosse des Hauses in Münchenstein wurden für diese Präsentation mit einer aufwendigen Architektur gleichsam in eine Kinostadt verwandelt, in der die Filmbilder zueinander in Beziehung gesetzt werden. In dieser einmaligen Kinostadt schaffen Innen- und Aussenräume mit Durchblicken und Spiegelungen und unterschiedlichen Intensitäten von Licht und Dunkelheit eine fast mystische Atmosphäre, sodass die Werke von Steve McQueen für den Besucher in besonderer Weise erlebbar werden.
Steve McQueen, 1969 in London geboren, hat in zwanzig Schaffensjahren ein äusserst vielseitiges Werk hervorgebracht. Bisher wurden seine Werke meist in kleineren Präsentationen oder einzeln gezeigt. Dies ist unter anderem in der Arbeitsweise von Steve McQueen begründet, der mit gezieltem Einsatz der filmischen Mittel und präzisen Vorgaben zur Installation und zum Projektionsraum vorgeht. Gleichzeitig schlägt er immer wieder neue Richtungen ein und greift mit erstaunlicher Unerschrockenheit aktuelle und brisante Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf. Steve McQueens Filminstallationen weisen einen stupenden skulpturalen Charakter aus, eine fast greifbare Körperlichkeit ist ihnen eigen. Auf den Betrachter üben sie eine beeindruckende physische Wirkung aus. Die Filme gehen buchstäblich unter die Haut.
Ein das Ausstellungserlebnis begleitendes Vermittlungs- und Veranstaltungsprogramm mit Führungen, Werkbetrachtungen, Workshops, Vorträgen und Filmvorführungen bietet die Möglichkeit, mehr über das Werk Steve McQueens zu erfahren. Die fast vollständig aus Filmarbeiten bestehende Übersichtsausstellung fordert in ihrer Andersartigkeit und Vielseitigkeit einen anderen Besuch. Denn Kunstwerke mit bewegten Bildern verlangen vom Besucher mehr Zeit als Gemälde und Skulpturen. Deshalb berechtigt das Eintrittsticket zum dreimaligen Besuch der Ausstellung im Schaulager. Im Eintrittspreis sind auch die Teilnahme an den Führungen, Werkbetrachtungen sowie der Eintritt zu den Vorträgen und Filmvorführungen enthalten. Auch hat die Ausstellung besondere Öffnungszeiten, die einem Kinobesuch am Nachmittag bis Abend angepasst sind.
Am Donnerstagabend ist jeweils Schaulagernacht und die Ausstellung ist mit einem besonderen im Eintrittsticket enthaltenen Veranstaltungsprogramm bis 22 Uhr geöffnet. Abwechselnd stehen auch Steve McQueens viel beachtete Kinofilme Hunger (2008) und Shame (2011) auf dem Programm sowie eine vom Künstler persönlich getroffene Auswahl an Spielfilmen in der Serie Artist’s Choice.
Die Spielfilme Hunger und Shame sind zudem Thema des am 24. Mai im Schaulager stattfindenden zweiten Künstlergesprächs, bei dem sich Adrian Searle, renommierter Kunstkritiker und freischaffender Kurator in London, mit Steve McQueen unterhalten wird. Dieses Gespräch bildet den Auftakt des öffentlichen Symposiums zum Werk von Steve McQueen, das am darauffolgenden Tag stattfinden wird. Die international renommierten Referenten beleuchten Themen und Fragestellungen, die Fachleuten, aber auch einem breiten Publikum interessante Einblicke und neue Impulse für die Beschäftigung mit dem Œuvre von Steve McQueen bieten.
Zur Ausstellung ist eine reich bebilderte Publikation erschienen, die ein umfassendes Verzeichnis sämtlicher Werke des britischen Künstlers enthält, die zwischen 1992 und 2012 entstanden sind.
Ein umfangreiches kostenloses Ausstellungsheft mit einer Einführung und kompletten Werkbeschreibungen informiert detailliert über das Veranstaltungsprogramm. Diese Informationen sind auch auf der eigens zur Ausstellung erstellten Website ersichtlich.

Zilvinas Kempinas. Slow Motion

Zilvinas Kempinas Kunst spielt sich auf der «bright side of the moon» ab. Die Schwerkraft scheint aufgehoben, die Palette des Lichts durchdringt und aktiviert die Materialien seiner Installationen. Die Reise, auf die uns seine Kunstwerke mitnehmen, führt ins Hier und Jetzt, hin zu Wahrnehmungsapparaten, Energieaggregaten, zu Raumskizzen und -interventionen.
Es sind optisch-physikalische und gleichzeitig berauschend ästhetische Ereignisse, die seine Kunst ausmachen.
Die von ihm verwendeten Mittel sind einfach, alltäglich und doch ungewöhnlich: Videoband, Ventilatoren, FL-Röhren, in Symbiose mit Raum, Rhythmus, Luft und Licht. Die damit erzielte Wirkung ist denkbar komplex, umfasst alle Sinne, verändert die Orientierung am Ort und die Wahrnehmung der eigenen Zeit und Bewegung. Sie ist stets auf den Betrachter hin orientiert, der selbst zum Akteur in einem theatralen, oft minimalistischen Environment wird.
Kempinas wurde 1969 in Litauen geboren. Seine Ausbildung fiel mitten in die Zeit der grossen politischen Umwälzungen. 1987 begann er ein Studium der Malerei am Staatlichen Kunstinstitut, das er 1993 in der gleichen Institution abschloss, die dannzumal neu Kunstakademie hiess. 1994 konnte er seine erste Einzelausstellung einrichten, Painting from Nature, im Contemporary Art Centre in Vilnius. Erfolg hatte er ebenso mit Bühnenbildentwürfen für Theaterstücke. 1998 erhielt er einen Preis für das beste «Bühnendesign der Theatersaison» in Litauen. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als freier Mitarbeiter in einer Büromöbelfirma, für die er Layouts für Ausstellungsräume entwarf.
Ende 1997 brach er nach New York auf, wo er «Combined Media» von 1998 bis 2002 am Hunter College studierte. Seine erste Einzelausstellung in den USA erhielt er 2003 am P.S.1 Contemporary Art Center, gefolgt von weiteren Ausstellungen, darunter eine Einzelausstellung in der Kunsthalle Wien 2008. Im selben Jahr verbringt er als Calder-Preisträger sechs Monate in Calders Atelier in Saché, Frankreich, wo er seinen Beitrag für die Biennale vorbereitete: Tube – eine Arbeit, mit der er 2009 Litauen vertrat.
Im Museum Tinguely erhielt Kempinas «Carte Blanche», um seine bisher grösste Einzelausstellung zu realisieren. Sie breitet sich auf rund 1500 Quadratmeter Fläche über vier Ausstellungsgeschosse aus und besteht sowohl aus neu konzipierten Arbeiten als auch aus Arbeiten, die bereits an anderen Orten zu sehen waren, aber doch raumspezifisch stets neu entstehen.
Empfangen wird der Besucher durch die Arbeit Light Pillars (2013), zwei grosse, acht Meter hohe, frei stehende Zylinder. Ihre Form konstituiert sich durch mehrere konzentrische Lagen von Videoband, das durch Ventilatoren in oszillierende Bewegung versetzt wird und hell aufscheinendes Licht im Inneren des Zylinders verdeckt. Es ist eine extrovertierte, alle Aufmerksamkeit einfordernde Arbeit, die inmitten von Tinguelys grossen Maschinenskulpturen in der offenen Halle eine eigene, kraftvolle Dynamik entfaltet. Kempinas Vokabular kennt aber ebenso die stille Kontemplation, wie wir sie gleich nebenan auf rund 200 Quadratmeter Fläche mit der Arbeit Parallels (2007) antreffen. Die den Raum längs durchmessenden, parallel gespannten Videobänder geben hier den Blick sowohl von oben, von der Galerie, als auch von unten, im Raum selbst, auf diese scheinbare «Wasseroberfläche» frei.
Eine der schönsten Raumpassagen des Museums, die sogenannte «Barca», der mit Fensterband zum Rhein hin offene Erschliessungsgang vom Erdgeschoss zum Galeriegeschoss, nutzt Kempinas für die Arbeit Timeline (2013): vertikal und parallel gespannte Videobänder orientieren den Blick nach aussen neu. Während das Material der Bänder bei frontaler Aufsicht verschwindet und den Blick auf den Rhein freigibt, schliesst sich die Fensterfront scheinbar, sobald der Blick in die Diagonale oder nach links oder rechts wandert. Dann erlebt man ein reiches Spiel von Lichtbrechungen und Reflexionen, die sich auf der manchmal matten, manchmal glänzend-dunklen Oberfläche abzeichnen.
Im zweiten Obergeschoss mit vier Oberlichtsälen von klassischer Proportion sind zwei weitere, den Raum durchmessende Arbeiten installiert. Slash besteht wie Parallels aus parallel eng gespannten Videobändern, ihre Wirkung ist aber doch verblüffend anders. Da sich die Bänder diagonal durch den Raum erstrecken, wird die perspektivische Raumwahrnehmung verhindert und die Raumproportionen verschwimmen. Im letzten Raum hält sich ein Band auf scheinbar magische Weise selbst in der Luft und umtanzt die Wände. Es ist eine Poesie der Leichtigkeit und der Schwerelosigkeit, die unsere individuellen Träume vom Fliegen beflügeln kann.
Eine die Sinne überfordernde Manifestation von Energie inszeniert Kempinas in der Installation Ballroom (2010) im Untergeschoss, wo Ventilatoren, farbige Glühbirnen, Videotapes und Spiegelfolie zu einem dichten Tanz der Elemente vereint sind. Es ist eine Art Licht-Raum-Modulator, in dem die Betrachter sich in ihrer Orientierung verlieren können.
Zilvinas Kempinas ist ein Magier der Elemente, der das Natürliche und das Künstliche als Ingenieur und Orphiker verbindet. Schon in seiner frühen Arbeit Moon Sketch (2005) ist der Kontrast zwischen Faktur und Wirkung eindrucksvoll. Aus einfachsten Materialien, einer im Innern schwarz bemalten Kartonrolle, Klebeband und einem Kleinbilddia-Rahmen, entsteht ein Instrument zur Himmelsbeobachtung, das allerdings als Periskop, als «Wallgucker» funktioniert: nur Millimeter vor einer Wand angebracht und auf diese gerichtet, zeichnet sich scheinbar am dunklen Firmament in fahlem Licht der kraterübersäte Mond ab. Tatsächlich blicken wir auf ein Stück Wand von knapp zehn Zentimeter Durchmesser, das mit seiner Textur, der weissen Wandfarbe und der besonderen Lichtsituation diese Illusion erst ermöglicht. Nichts ist versteckt, alles ist zu sehen, und doch führt uns die Wirkung an einen Ort, der unsere Sehgewohnheiten hinterfragt und herausfordert.

Zilvinas Kempinas
Slow Motion
05.06.2013 – 22.09.2013
Museum Tinguely

Max Ernst: Der Künstler, der sich nicht finden wollte

Ein Maler ist verloren, wenn er sich findet», bemerkte Max Ernst (*1891 in Brühl – †1976 in Paris) in einem berühmten Ausspruch. Tatsächlich gehört der Künstler zu den vielseitigsten und wechselhaftesten der Moderne. Immer wieder hat sich Max Ernst im Laufe seines Lebens und Werks neu erfunden und dabei fortwährend mit neuartigen Techniken wie etwa der Collage, Frottage oder Dekalkomanie experimentiert. So entstand ein einzigartiges Gesamtwerk aus (alb-)traumartigen Bildern, mysteriösen Landschaften und fantastischen Kreaturen, das sich jeder klaren stilistischen Definition entzieht und dessen Entwicklung vom bewegten Leben und den wechselnden Aufenthaltsorten des Künstlers in Europa und Amerika mitgeprägt wurde. Max Ernst: Der Künstler, der sich nicht finden wollte weiterlesen

Schaulager präsentiert Steve McQueen

Steve McQueen

STEVEMCQUEENMit seiner aussergewöhnlich experimentellen Kraft und mit der physischen Präsenz seiner Bilder zieht der britische Videokünstler und Filmemacher Steve McQueen seine Betrachter in den Bann. Fasziniert von der Gleichzeitigkeit seiner Bilder, herausgefordert von der akustischen Begleitung und verwirrt von der Erkenntnis, als Betrachter selbst Teil eines Kunstwerks zu werden, führt Steve McQueen sein Publikum in eine neue Dimension des Sehens und Denkens.
Das Schaulager in Münchenstein hat in Zusammenarbeit mit dem Künstler eine Kinostadt entworfen, die mit Piazza, Achsen, Durchsicht und Rückzugsmöglichkeiten wie eine richtige kleine Stadt funktioniert und an Ästhetik und Funktionalität nichts zu Wünschen übrig lässt.