Maurizio Cattelan
08.06.2013 – 06.10.2013
Fondation Beyeler
Von Michiko Kono*
Bei seiner ersten New Yorker Ausstellung im Jahre 1994 zeigte Maurizio Cattelan nicht mehr als einen überladenen Kronleuchter und einen lebenden Esel. Zur Erklärung seiner Geste behauptete er, ihm sei keine bessere Idee für ein Kunstwerk eingefallen. Nicht zum ersten Mal entzog er sich auf diese Weise seiner Verantwortung als Künstler. Seine allererste Einzelausstellung, 1989 in einer Galerie in Bologna, bestand aus nur einem Schild, das an der verriegelten Eingangstür hing und auf dem «Torno subito» (Bin gleich zurück) vermerkt war. Auch hier gab Cattelan als Begründung seine grosse Unzufriedenheit mit den Werken an, die er ursprünglich habe zeigen wollen.
Cattelans Arbeiten sind humorvoll und fordern gleichzeitig zur Reflexion auf, sie verblüffen den Betrachter häufig, provozieren ihn manchmal und können tiefe Empörung auslösen. Der Künstler bezieht sich dabei auf Erfahrungen, die uns allen gemeinsam sind und auf Bilder, die uns im Alltag oder in den Medien begegnen und die seiner Meinung nach weitaus provokativer sind als seine Kunst, auf die wir aber aus Gleichgültigkeit nicht mehr reagieren. Seine Intentionen gibt Cattelan in den seltensten Fällen preis. Die Themen, die er behandelt, drehen sich um Leben und Tod, Politik, Glauben, Macht oder Identität. Immer wieder beschäftigt ihn die Auseinandersetzung des Individuums mit den Widersprüchen der Gesellschaft, die zwangsläufig zum Scheitern führen. Dabei werden die Ideale und Ängste des Menschen oft auf Tiere projiziert, die einen Charakterzug oder ein Gefühl verkörpern.
Seit dem ersten Auftritt eines lebenden Esels in einer Galerie sind in Cattelans Werken immer wieder Tiere aufgetaucht, allerdings ausgestopft. Ein Strauss steckt seinen Kopf tief in den Boden und wähnt sich dadurch unbeobachtet. Ein Eichhorn hat sich in einer simpel eingerichteten Küche mit einer Miniaturpistole das Leben genommen. Besonders häufig treten Esel und Pferd in Erscheinung. Traditionell als dumm geltend, wird der Esel von Cattelan mit Unbeholfenheit in Verbindung gebracht. Er spannt ihn vor einen Wagen, der dermassen schwer beladen ist, dass das bedauernswerte Tier hilflos in der Luft schwebt und sich nicht rühren kann. Dem Pferd widerfährt kein besseres Schicksal. Ähnlich einer umgekehrten Jagdtrophäe hängt es kopflos an der Wand, als wäre es bei einem Sprungversuch gescheitert. Wie der Strauss, der sich den Blicken entzieht, scheint das Pferd vor etwas geflohen zu sein – vielleicht vor der Ausstellung selbst.
*Michiko Kono ist Associate Curator der Fondation Beyeler