Archiv der Kategorie: Museum Tinguely, Basel

Party for Öyvind – Öyvind Fahlström & Friends

Museum Tinguely | 16.02.2022 – 01.05.2022

Andres Pardey, Vizedirektor Museum Tinguely

Von Andres Pardey

Das Museum Tinguely zeigt mit Party for Öyvind das Werk eines der innovativsten und initiativsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Öyvind Fahlström (1928–1976) hat in seiner kurzen Schaffenszeit ein in jeder Hinsicht Grenzen sprengendes Œuvre geschaffen. Diese einzigartige Ausstellung umfasst bildende Kunst,
Poesie, Theater, Literatur, Musik, Tanz und Film und spiegelt die grosse Vielfalt des Ausdrucks innerhalb des internationalen Netzwerks von Künstler*innen wider, die den schwedischen Künstler inspirierten und die von ihm inspiriert wurden.

Der Ausstellungstitel zitiert die Einladungskarte, die Patty und Claes Oldenburg zu einer Feier anlässlich des Geburtstags von Öyvind Fahlström und seiner ersten Einzelausstellung in der legendären Sidney Janis Gallery in New York 1967 verschickten. Die Party war eine Riesensache mit mehreren Hundert Gästen, von denen viele auch in der Ausstellung vertreten sind.

Öyvind Fahlström wurde 1928 als Sohn skandinavischer Eltern in São Paulo, Brasilien, geboren. Im Juli 1939, im Alter von elf Jahren, reiste er alleine nach Stockholm, um während sechs Monaten seine Verwandten zu besuchen. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhinderte eine Rückreise, sodass Fahlström den Rest seiner Kindheit und Jugend in Stockholm bei einer Tante verbrachte. Nach dem Krieg studierte er in der schwedischen Hauptstadt Kunstgeschichte und Archäologie. Ab 1952 lebte er in Rom, tauchte alsbald in die Kunstszene ein, schuf erste Werke und freundete sich mit Künstlern wie dem Maler Giuseppe Capogrossi an, dessen Umgang mit Zeichen und Symbolen für den viel jüngeren Schweden eine wichtige Inspiration war. Fahlström berichtete als Korrespondent schwedischer Zeitungen im Feuilleton über Rom – so unter anderem über Robert Matta oder
Cy Twombly. 

Zurück in Stockholm, pflegte Fahlström seine Freundschaften mit Künstler*innen, Kunsthistoriker*innen, Museumsmenschen, Musiker*innen und vielen anderen Kreativen. Mit dem
Moderna Museet, das 1959 eröffnet wurde, verband Fahlström von Anfang an eine enge Beziehung, die in viele spartenübergreifende Projekte mündete und ihn später zu einem der Botschafter des Museums in den USA werden liess.

Erste internationale Ausstellungen folgten, so insbesondere 1958 in der Galerie Daniel Cordier in Paris, wo Fahlström enge Bande zu Jean-Jacques Lebel und Alain Jouffroy knüpfte, den Organisatoren von Anti-Procès (1, 1960), einer Manifestation von Künstler*innen gegen die französische Kriegspolitik in Algerien sowie gegen die Apartheid in Südafrika, deren Manifest auch Fahlström unterschrieb. 1961 reiste Fahlström mit seiner Partnerin Barbro
Östlihn, die er 1960 geheiratet hatte und mit der er intensiv zusammenarbeitete, zu einem einjährigen Stipendium-
aufenthalt in die USA. Billy Klüver, der schwedische Ingenieur in den Diensten der Bell Laboratories und Gründer von E.A.T. (Experiments in Art and Technology, einer Institution, die viele Künstler*innen in der technischen Umsetzung von Werken unterstützte), führte die Ankömmlinge in die New Yorker Kunstszene ein. Erste Freunde waren Patty und Claes Oldenburg. Fahlström konnte Robert Rauschenbergs Atelier übernehmen und wurde so zum Nachbarn von Jasper Johns. Er fand sich im Zentrum der rasanten Entwicklung in den USA, erlebte den Aufstieg von Pop Art und Happening. Barbro und Öyvind blieben auch nach Ablauf des Stipendiumjahres in der Stadt und waren bis zu seinem Tod 1976
Teil der Kunstszene New Yorks.

Auch mit einem Leben in NY rissen die Kontakte nach Schweden nie ab. 1966 repräsentierte Fahlström sein Land an der Biennale in Venedig, und konnte sich wohl auch deshalb nicht an HON beteiligen, der riesigen Frauenskulptur, die Niki de Saint Phalle zusammen mit Jean Tinguely und Per Olof Ultvedt 1966 im Moderna Museet installierte. Öyvind, Niki und Jean hatten sich spätestens seit Mai 1962 gekannt, als sie sich alle an Kenneth Kochs Inszenierung von The Construction of Boston beteiligten.

Fahlström betätigte sich als Poet, publizierte 1953 ein Manifest für konkrete Poesie, war Verfasser von Theaterstücken, beteiligte sich an Performances und Happenings ebenso wie an theatralischen Inszenierungen und schuf in enger Zusammenarbeit mit seiner Frau
ein künstlerisches Werk mit Gemälden, einem umfangreichen druckgrafischen Werk und raumgreifenden Installationen, das sich zwischen ‚peinture‘ und ‚comic‘ bewegte und in dem er politische, soziale und gesellschaftliche Fragen seiner Zeit aufnahm.

Party for Öyvind spiegelt eine Zeit wider, die von den Herausforderungen der Nachkriegszeit geprägt war, die aber auch einzigartige Möglichkeiten für eine neuartige Offenheit und Verspieltheit bot, als eine jüngere Generation versuchte, das Alte über Bord zu werfen und ihre eigene Lebensweise zu finden, in deren Mittelpunkt Lebenslust und Hoffnung auf die Zukunft sowie das Recht auf die eigene Identität, Sexualität und Ausdruck in Kunst, Musik, Literatur und Poesie standen.

Die Ausstellung bringt viele der einflussreichsten Künstler der 1960er und 1970er zusammen, darunter Alexander Calder, Andy Warhol, Barbro Östlihn, Carl Johan De Geer, Christer Strömholm, Claes Oldenburg, Cy Twombly, Dennis Hopper, Ernest Cole,
Faith Ringgold, Gunilla Palmstierna-Weiss, Jean Tinguely, John Cage, Kiki Kogelnik, Lee Bontecou, Lena Svedberg,
Marie-Louise Ekman, Marisol, Merce Cunningham,
Mimi Gross, Niki de Saint Phalle, Patty Oldenburg,
Peter Weiss, Robert Rauschenberg und Roy Lichtenstein. Und, natürlich, Fahlström selbst. Insgesamt sind es etwa gleich viele Künstlerinnen wie Künstler.
Die Ausstellung wird kuratiert von Barbro Schultz-Lundestam und Gunnar Lundestam, sie wurde nach einer ersten Station im
Sven-Harrys konstmuseum in Stockholm für Basel erweitert und hier von Andres Pardey und Tabea Panizzi betreut. Im Sommer 2022 wird die Ausstellung im Kunstverein in Hamburg zu sehen sein.

The Cost of Life. A perspective on health

The Cost of Life. A perspective on health
by Paddy Hartley
  – Ausstellung im Museum Tinguely und dem Pharmaziemuseum Basel | 13. Oktober 2021 bis 23. Januar 2022

Der englische Begriff cost of life umfasst viele unterschiedliche Bedeutungen, die – im Gegensatz zur wörtlichen deutschen Übersetzung – alle einen Bezug zum Risiko haben. Als stehender Begriff bedeutet at a great cost of life ein grosses Risiko einzugehen. The Cost of Life. A perspective on health weiterlesen

Écrits d’Art Brut – Wilde Worte & Denkweisen

Museum Tinguely | 20. Oktober 2021 bis 23. Januar 2022

Liebeserklärungen, Wutbriefe, Gedichte, Gebete, erotische Botschaften, Plädoyers, tagebuchartige Aufzeichnungen und utopische Erzählungen: Die oft kaum bekannten Schriftstücke von Art Brut-Künstler*innen erstaunen und faszinieren. Entstanden meist hinter verschlossenen Türen, in Stille und im Geheimen, tragen sie häufig keine Anschrift oder richten sich an
einen traumbildlichen oder spirituellen Adressaten. Écrits d’Art Brut – Wilde Worte & Denkweisen weiterlesen

Bruce Conner. Light out of Darkness

Museum Tinguely | bis 28. November 2021

Bruce Conners (1933–2008) kritische Haltung zur Kunstwelt ist ebenso legendär wie sein Ruf als Vater des Videoclips. Er ist einer der herausragenden Künstler des 20. Jahrhunderts – ein ‹Artist’s Artist›. Die Ausstellung Bruce Conner. Light out of Darkness ist bis zum 28. November im Museum Tinguely zu sehen und stellt sein experimentelles filmisches Werk mit einer repräsentativen Auswahl von neun Filmen vor, darunter die Arbeit CROSSROADS (1976), die Filmmaterial des ersten US-Unterwasser-Atombombentests von 1946 beim Bikini-Atoll zu einer 36-minütigen Studie über Horror und Sublimität dieses apokalyptischen Ereignisses zusammenfügt. Bruce Conner. Light out of Darkness weiterlesen

Mord, Liebe und Kunst im Herzen von Paris

Impasse Ronsin – Museum Tinguely – bis 9. Mai 2021

Adrian Dannatt ist Co-Kurator der Ausstellung

Von Adrian Dannatt

Was also ist die Impasse Ronsin? Hundert Jahre lang war diese Sackgasse im Pariser Montparnasse- Quartier die Heimat zahlreicher Künstler*innen, deren berühmtester Vertreter, Constantin Brâncuşi, von 1916 bis zu seinem Tod im Jahre 1957 hier lebte und arbeitete.
Mord, Liebe und Kunst im Herzen von Paris weiterlesen

Taro Izumi. ex

Museum Tinguely | bis 15. November 2020

Mit der Ausstellung ex lädt der japanische Künstler Taro Izumi (geboren 1976 in Nara, Japan) dazu ein, in seine spielerische und schalkhafte Welt einzutauchen. Izumi beobachtet unsere Lebensweise und durchleuchtet dabei unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen, zur Natur und zur Tierwelt. So entstehen vielgestaltige, nicht klassifizierbare Werke, die – ausgehend von einer einfachen Grundidee und unter Zuhilfenahme von eher bescheidenen Mitteln – mit dem Absurden spielen. Taro Izumi. ex weiterlesen