Mit seiner neuen Arbeit Bass (2024) kehrt der vielfach ausgezeichnete Künstler und oscarprämierte Filmregisseur Steve McQueen mit seiner bisher abstraktesten Arbeit ins Schaulager zurück. Bass ist eine raumgreifende, speziell auf die Gebäudearchitektur abgestimmte Installation, die in der Tradition von McQueens filmischem Werk erkundet, wie Farbe und Klang unsere körperliche Wahrnehmung von Raum und Zeit beeinflussen. Gleichzeitig ist Bass eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Schwarzen Diaspora.
Schaulager Basel
Steve McQueen: Bass
16.06.2025 – 16.11.2025
Tiefe Bassfrequenzen erfüllen den Raum, erklingen mal lauter, dann wieder leiser, sind als einzelne Töne oder als Spur einer Melodie zu hören. Gleichzeitig wird der Raum mit Licht geflutet, welches langsam, beinahe unmerklich von Rot über Gelb, Grün und Blau bis Violett die Farbe wechselt. Die kraftvolle Wirkung der radikal immateriellen und immersiven Installation lebt von der unmittelbaren Erfahrung.
Anders als in seinen früheren Arbeiten verzichtet McQueen in Bass vollständig auf eine Narration. Stattdessen sind Licht und Klang die Hauptprotagonisten des Werks. Der Anstoss für Bass – eine gemeinsame Auftragsarbeit der Laurenz-Stiftung, Schaulager und der Dia Art Foundation in New York – erfolgte, als McQueen die Möglichkeit erhielt, einen Raum in der Dia Beacon für die erste Präsentation seines neuen Werks auszuwählen. Als er das Untergeschoss der ehemaligen Fabrik mit seiner höhlenartigen Architektur betrat, entschied er, eine Installation zu schaffen, die nur aus Licht und Klang besteht und stets neu auf den jeweiligen Ort reagiert, an dem sie gezeigt wird. Die Auseinandersetzung mit Licht und der Frage, wie Farbe unsere Wahrnehmung beeinflusst, prägt das künstlerische Schaffen McQueens schon seit Langem. 2012 etwa realisierte er die temporäre Installation Blues Before Sunrise im Amsterdamer Vondelpark, für die er die 275 Strassenlaternen des Parks mit blauen Filtern versehen liess und so die Atmosphäre in bläuliches Dämmerlicht tauchte. Licht spielt auch mit Blick auf das bevorzugte Medium von McQueen – Film – eine zentrale Rolle, zusammen mit dem Ton ist es dessen grundlegendes Element und steht als Bedingung für alles, was im Sichtfeld in Erscheinung tritt oder in der Dunkelheit verborgen bleibt.
Genauso eindringlich wie Licht ist auch Musik. Als Fundament vieler Kompositionen sind tiefe Bassfrequenzen physisch spürbar und sorgen für die Stabilität und Tiefe von Harmonien. Auch in Bass bilden pulsierende Bassfrequenzen den Unterbau des vielschichtigen Werks. Die Partitur wurde in der Dia Beacon aufgenommen, wo McQueen im Januar 2024 zusammen mit dem berühmten Bassisten Marcus Miller eine intergenerationale Gruppe von Musikerinnen und Musikern zusammenbrachte, die inspiriert vom farbigen Lichtspiel über eine Dauer von drei Tagen gemeinsam improvisierten, woraus eine einzigartige Komposition hervorging. Zu Mamadou Kouyatés treibenden Rhythmen auf der traditionellen Bass-Ngoni gesellen sich die tief dröhnenden Klänge von Aston Barrett Jr.’s kaum gezupftem E-Bass, während Meshell Ndegeocello dem gleichen Instrument ätherische Texturen entlockte. Diese verschränken sich in der Partitur mit der Klarheit von Millers Jazzbass sowie den Klängen, die Laura-Simone Martin zupfend und streichend auf ihrem akustischen Kontrabass hervorbrachte. McQueen ist fasziniert von diesen unterschiedlichen Bass-Instrumenten: «Es gibt eine Gemeinsamkeit im Bass, der Vibration, dem Nachhall, dem Ton. Es scheint wie ein Ruf, ein Zusammenspiel, eine Form der Kommunikation zwischen über die Welt verstreuten Menschen». Gerade im Kontext der Black Music steht der Bass für eine besondere Verbundenheit mit der eigenen Geschichte und kulturellen Identität, mit Emotionen, die sich kaum mit Worten, wohl aber durch Musik artikulieren lassen.
Die über dreistündige Abfolge der Bassfrequenzen verwebt sich immer wieder neu mit dem sich verändernden Lichtzyklus. In dieser Reduktion auf Licht und Sound könnte Bass als ein auf seine Essenz reduzierter Film verstanden werden. Wobei das Werk im Wesentlichen offen bleibt und dazu einlädt, sich auf den Akt der Wahrnehmung als solcher einzulassen. Es geht um die eigene Anwesenheit und emotionale Gestimmtheit, darum, sich treiben zu lassen und den Licht- und Klangwellen zu erlauben, Gedanken, Gefühle und Erinnerungen anzuspülen.
Die Präsentation wird von zwei Büchern begleitet: Der in Zusammenarbeit mit der Dia Art Foundation und der Laurenz-Stiftung herausgegebenen Publikation Steve McQueen. Bass (2024), sowie einer auf die Präsentation von Bass im Schaulager fokussierte zweite Publikation, die im Juni 2025 erscheinen wird.